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Der Familienrat als Chance, vorhandene Identitätsbilder neu auszurichten
ОглавлениеIn der phänomenologischen Netzwerktheorie von Harrison White (1992) begreift sich Identität als ein klar nach außen orientiertes Bewusstsein, das nicht ohne die anderen entstehen und fortbestehen kann. Hiermit arbeitet der Familienrat. Die wohl innigste und beständigste Identität liegt in den Menschen, mit denen täglich eine Beziehung besteht. Die Stärkung der anderen stärkt gleichzeitig auch das Individuum. Identität ist hier nicht statisch und in der Verinnerlichung vollendet, Identität ist wie ein temporäres Ergebnis aktueller Beziehungen, meist unbewusst, und manifestiert sich in sozialen Vorkommnissen wie Entscheidungsfindungen, bei denen verschiedene Akteure angesichts ihrer Identitäten divers und auch scheinbar gegensätzlich aufeinandertreffen.11 Im Rahmen von gemeinsamen Entscheidungsfindungen, die wegbereitend dafür sind, bestehende Identitäten der Betroffenen anzusprechen, ist eine Hilfeplanerstellung möglich, die das Potenzial in sich trägt, nachhaltig und langfristig zu wirken. Das soziale Ereignis der Entscheidungsfindung ist im Sinne dieser Theorie die Gelegenheit, nicht nur vorhandene Identitäten lebensweltnah aufzugreifen und anzusprechen, sondern diese auch neu oder anders auszurichten. Bei Familie Özgür ist es in der Informationsphase der Imam mit seinen religiösen Ausführungen zum Schura-Prinzip. Die Religiosität der Familie wird zum Bindeglied. Die muslimische Identität der Familie enthält einen identitätsbezogenen Zugang, die Lebenswelt zu erreichen und hierbei ihre Handlungsfähigkeit aufzuzeigen. Die religiöse Identität überwindet die in der Scheidungssituation erlebte Ohnmacht und spricht eine weiterhin verbindende Identität der Familie an.
Für das Zusammenstellen des Netzwerks geht es nicht nur um das Aufdecken vorhandener Verbindungen der Betroffenen, sondern auch darum, wer mit am Tisch sitzen muss, um geeignete Lösungsideen mit hineinzugeben, und welches Wissen geeignet ist, um die Lebenswelt zu erreichen. In Kindeswohlangelegenheiten, die die Gesundheit betreffen, kann daher auch das Einladen externer Fachkräfte wie beispielsweise Fachärzte sinnvoll sein, um das entsprechende Wissen verfügbar zu machen.