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3. Pleiten, Flucht und schlechter Guss: Der lange Weg zur Rentabilität der St. Antony-Hütte

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Im Herbst 1758 begann die erste Hüttenkampagne auf St. Antony. Franz Ferdinand von Wenge betrieb die Hütte zunächst in Eigenregie und setzte als örtlichen Leiter den kurkölnischen Förster Randebrock ein. Aber nicht nur von Wenge sondern auch Randebrock fehlten die notwendigen hüttenmännischen Kenntnisse. Für den technischen Betrieb mussten somit Fachleute engagiert werden. Da es noch keine Ausbildung im Hüttenwesen gab, galt es, Hüttenmeister zu finden, die auf anderen Werken Erfahrungen im Betrieb von Hochöfen gesammelt hatten. Fachkräfte waren also von außerhalb anzuwerben. Für Transport- und Hilfsarbeiten standen dagegen Arbeitskräfte in der Nähe zur Verfügung. Die neue Hütte ermöglichte auf diese Weise den Köttern der Umgebung einen Nebenerwerb, mit dem sie ihr eher kärgliches Einkommen aus der Landwirtschaft aufbessern konnten.


Abb. 7: Hochofenabstich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Tafel aus der „Encyclopédie“ von Denis Diderot und Jean Baptiste le Rond d‘Alembert (Erstausgabe zwischen 1751 und 1772)

Für die erste Kampagne engagierte von Wenge Heinrich Lichlen als Hüttenmeister.31 Dieser kam mit einem Meisterknecht und zwei Erzaufgebern aus Fischbach bei Saarbrücken, wo seit 1728 eine Eisenschmelze betrieben wurde, die offensichtlich gerade still lag. Lichlen setzte mit seinen Helfern das ▶ Hochofengestell ein und blies den Hochofen an, wofür er extra bezahlt wurde. Am 18. Oktober 1758 floss das erste Eisen aus dem Hochofen der St. Antony-Hütte. Förster Randebrock unterrichtete von Wenge sofort: „Nun iß endlig die hütte in ihre arbey der liebe Gott gebe mir seynen Seegen darzu […]“.32 Aber er berichtete auch von den Schwierigkeiten der Betriebsaufnahme: Das Eisen hatte noch nicht die gewünschte Qualität und war unrein. Gegossen wurde in Sandformen direkt vom Hochofen. Formsand fand man in der unmittelbaren Umgebung von Osterfeld und Bottrop in großen Mengen. Die Kampagne dauerte nur eineinhalb Monate. „Eisen-Ballas“, also Gewichte, und „Potteriewaren“, also Töpfe, Pfannen und andere Gusswaren des täglichen Bedarfs, waren die Hauptprodukte. Daneben entstanden Ambosse, Platten und Gitter.

Den Verkauf hatte Förster Randebrock zu organisieren. Hauptabsatzgebiet war neben der näheren Umgebung die Niederlande. Die Waren wurden von Alsum oder Ruhrort aus verschifft. Allerdings verkauften sich die Waren nur sehr schlecht, da der Guss nicht besonders gut gelungen war. Gleichzeitig konkurrierten sie mit ausgereiften englischen Produkten, ohne wesentlich preiswerter zu sein. Zwar war der Schiffstransport über den Rhein in die Niederlande recht preiswert, doch verteuerte der Transport von der Hütte zu den Rheinhäfen wegen der schlechten Wegeverhältnisse die Waren. Auch in den späteren Jahren erschwerte das weitgehende Fehlen von Kunststraßen die Transporte. Vor allem bei schlechter Witterung verwandelten sich die Straßen in einen Sumpf, in dem die Karren stecken bleiben konnten. Löcher in den Wegen mussten umfahren werden, so dass sich die Wege ohne jede Befestigung in die Breite ausdehnten. Erst ab Mitte der 1780er Jahre verbesserte sich langsam die Situation. 1792 war die erste Kunststraße vom Rhein über Essen ins Märkische – heute die Duisburger und die Essener Straße – hergestellt.33 Doch noch 1840 wollte die preußische Bezirksregierung in Düsseldorf dem Unternehmen verbieten, mit seinen Fuhrwerken die Straßen zu befahren, da die schmalen Räder die Wege zu sehr schädigen würden.34

Die zweite Hüttenkampagne ließ lange auf sich warten. Zu den Schwierigkeiten mit dem Absatz der qualitativ unzureichenden Produkte kam die Besetzung des Landes durch französische Truppen im ▶ Siebenjährigen Krieg. Besonders schwerwiegend wirkte sich der Mangel an Holzkohle aus. Die kurzfristig durch den Bedarf der Hütte gestiegene Nachfrage ließ sich nur schwer aus den umliegenden Wäldern decken. Damit deuteten sich schon früh grundlegende Standortprobleme der Hütte am Elpenbach an. Randebrock versuchte eine Lösung zu erreichen, indem er einen Köhler engagierte, der gemeinsam mit ihm Holzkohle herstellen sollte. Als im Verlauf des Krieges die Preise für Gusswaren stiegen, schien nach vier Jahren Stillstand eine neue Hochofenkampagne lohnenswert. Allerdings hatten die Erlöse der ersten nicht ausgereicht, um die zweite Kampagne zu finanzieren. So musste von Wenge Geld zuschießen. Um höhere Einnahmen zu erzielen, orientierte er sich nun an der benachbarten Bocholter St. Michaelis-Hütte und richtete die Produktion von St. Antony an deren Fertigungsprogramm aus. Auch versuchte er, den Zwischenhandel auszuschalten, und nahm direkten Kontakt zu niederländischen Großhändlern auf.

Mitte März 1762 kam Hüttenmeister Lichlen mit seinen Mitarbeitern zurück nach Osterfeld.35 Er brachte neue Gestellsteine aus einem Steinbruch bei Koblenz für die neue Ausmauerung des Hochofens mit. Zur Aufnahme der Produktion reichten ihm die Vorräte an Holzkohle und Erz noch nicht aus. Er verlangte zusätzliche Gussformen und die Einstellung eines Sandformers, um eine größere Produktvielfalt erzeugen zu können. Auch die Blasebälge waren vor Beginn der zweiten Hüttenkampagne am 14. April 1762 noch zu reparieren.

Die neue Kampagne lief gut an. Das Eisen war gut und die Ausbeute größer als bei der ersten Kampagne. Wahrscheinlich hatten sich Lichlen und sein Team auf die Verhältnisse in Osterfeld eingestellt. Sie kannten nun das Erz, die Holzkohle und die Zuschläge, so dass sie das Mischungsverhältnis besser einschätzen konnten. Doch noch im April traten erste Probleme auf. Zu wenige Fuhrleute standen zur Verfügung, da die Kötter ihre Aussaat auf das Feld bringen mussten. Im Mai brach zweimal die Achse des Wasserrades und der Ofen musste mit Kohlen warm gehalten werden, ohne Eisen zu produzieren. Mitte Juni verließ Meister Lichlen die Hütte, um ein anderes Werk instand zu setzen. Er sagte seine Rückkehr zu und garantierte, dass die Hütte in der Zwischenzeit ohne Störung funktionieren würde. Im Juli ließen die Leistungen der Hüttenleute wegen des Mangels an Nahrungsmitteln nach, was einen weiteren Zuschuss von Wenges erforderte. Ende Juli produzierte der Ofen nur noch unreines Eisen, da die Gestellsteine verschlissen waren. Zusätzlich mangelte es wieder an Holzkohlen, so dass die Kampagne am 29. August endete. Lichlen war nicht wieder aufgetaucht.


Abb. 8: Hammerwerk des 18. Jahrhunderts aus der „Encyclopédie“

Bis zum 28. Juli 1762 waren 61.094 Pfund Gusswaren erzeugt worden. Doch erneut blieb der Absatz schwach. Geld kam nur zögerlich herein. Von Wenge verlangte von Hüttenleiter Randebrock eine detaillierte Abrechnung auf Basis der vorliegenden Aufzeichnungen. Misstrauisch wurde von Wenge, als er von dritter Seite zur Zahlung von Zinsen für einen Kredit aufgefordert wurde, von dem er nicht in Kenntnis gesetzt worden war. Es entspann sich ein langjähriger Prozess um die Erstattung von Auslagen und Lohnzahlungen an Randebrock, in den auch wieder die Hofkammer in Bonn eingeschaltet war. Erst 1785 wurde der Konflikt beigelegt.36

Hüttenmeister Lichlen hatte von Wenge während der laufenden Kampagne vorgeschlagen, einen Eisenhammer zu errichten und so Absatz und Profit zu erhöhen.37 Von Wenge bat Johann Assemuth von der Altenbekener Hütte bei Paderborn, wo die Eisengewinnung schon eine lange Tradition hatte, Schmiedeversuche mit Eisen von der St. Antony-Hütte durchzuführen. Noch während der zweiten Kampagne erfolgten die Versuche. Doch nur, wenn dem Roheisen der St. Antony-Hütte fremdes Stabeisen beigemischt wurde, war es schmiedbar. Dennoch ließ von Wenge 1764 einen Eisenhammer bauen. Die Bauarbeiten sollen durch den Einsatz großer Mengen von Bier beschleunigt worden sein, so dass das Hammerwerk im November 1765 fertig war. Aber es dauerte bis ein Schmied gefunden war. Erst am 20. Februar 1766 ging der Hammer in Betrieb. Schmiedbares Eisen musste hinzugekauft werden und dennoch blieben der Betrieb des Hammers unregelmäßig und die Produkte unbefriedigend. Johann Assemuth, der mittlerweile die Leitung der St. Antony-Hütte von Randebrock übernommen hatte, vermutete die Ursache in der mangelhaften Qualität der Holzkohlen.

1768 ließ von Wenge den Hüttenmeister Assemuth eine dritte Hochofenkampagne planen.38 Hierzu wurden 162 Fass Raseneisenerz, drei Karren Mergel und 343 3/​4 Fass Holzkohle aus der Umgebung angeliefert. Ofen und Blasebälge waren Ende September in Stand gesetzt. Die Gestellsteine kamen dieses Mal aus Steele. Eine Erzwäsche mit einem weiteren Damm, der den abgewaschenen Schlamm aufhalten sollte, wurde neu angelegt. Zwischen Oktober 1768 und Anfang 1769 produzierte der Hochofen an 67 Tagen Ballast, Platten, Pott- und Pyramidenöfen sowie Potteriewaren, die wieder hauptsächlich in den Niederlanden Absatz fanden. Aber immer noch mangelte es an Qualität und der Verkauf bereitete weiter Probleme. Das Hammerwerk blieb noch nach der Hüttenkampagne in Betrieb. Etwa neun Personen arbeiteten auf der Hütte. Etwa 25 Personen besorgten Fuhrdienste, Erz- und Kohlenbeschaffung. Als klar wurde, dass im folgenden Jahr keine neue Kampagne starten würde, verließ Assemuth im Frühjahr 1769 die Hütte und gab seine Tätigkeit in Osterfeld auf. Zwei Jahre später empfahl er von Wenge noch, auf der Hütte einen ▶ Kupolofen nach englischem Muster zu errichten.

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2

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