Читать книгу Die Psychologie des bürgerlichen Individuums - Группа авторов - Страница 6
§ 1. Der falsche Materialismus des erlaubten Erfolgs
ОглавлениеWas in der Konkurrenz der Klassen, in der Hierarchie der Berufe durch individuelles Geschick erreicht werden kann, bemisst sich am Interesse anderer und den Mitteln, über die sie verfügen. Dabei findet ein direkter Vergleich, ein unmittelbares Kräftemessen längst nicht mehr statt, wo ein mit Gewaltmonopol ausgerüsteter Staat für Recht und Ordnung sorgt. Sein Erziehungswesen stellt nicht nur manchen Unterschied im Umfang der Bildung her und weist die Individuen in ihre Karrieren ein – von der öffentlichen Gewalt, die am nützlichen Fortgang der Konkurrenz ihren Daseinsgrund und Zweck hat, erfährt der Bürger auch gleich, was erlaubt und verboten ist. Sein Materialismus ist anerkannt, aber nur in den Grenzen von ihm aufgeherrschten Notwendigkeiten, durch die er für Staat und Kapital brauchbar wird.
Indem sich das Individuum auf die mit seiner sozialen Lage speziell definierte Freiheit der Konkurrenz einstellt, die praktischen Zwänge seiner Stellung in der Welt zum selbstverständlichen Ausgangspunkt seines Strebens macht, pflegt es den spezifisch bürgerlichen Gebrauch seines Geistes: jeder sinnt im Rahmen des Erlaubten auf seinen Erfolg. Alle Einrichtungen der kapitalistischen Welt und jeden „Mitmenschen“ betrachtet es als Bedingung seines Fortkommens, wobei ihm manches positiv, manches negativ vorkommt. Stets be- und verurteilt ein solches Individuum die Taten anderer und die handfesten „Leistungen“ höherer Instanzen gemäß dem Kriterium des erlaubten Erfolgs, was dasselbe ist wie der Maßstab des erfolgreichen Anstands. Der praktischen Stellung des Subjekt, das in einer mit lauter Hindernissen erfüllten Welt sein Mittel sehen und nützen will, entspringt ein Weltbild, das mit Objektivität nichts zu tun hat. Das Bewusstsein, das sich der abstrakt freie Wille zulegt, hat sein Prinzip darin, dass es die dem Willen entgegenstehenden, von ihm unabhängigen Umstände seiner Betätigung in das Programm des Willens aufnimmt. Das bürgerliche Ich übersetzt den erzwungenen Entschluss, sich nach der Welt zu richten, wie sie ist, sich in den vorgeschriebenen Bahnen zu bewegen, in das freie Urteil über sie und beantwortet sich an jedem Gegenstand die Frage: Inwieweit entspricht er mir und meinen Absichten?