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2 Ein historisch gewachsener Konflikt

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Mit Blick auf die Stadtbegrünung hat es in den zurückliegenden Jahrzehnten bedeutsame Veränderungen gegeben. Hier sind vor allem der Klimawandel (vgl. MAIER & DEUTSCHLÄNDER 2010) und die gestiegene Anzahl von Eingriffen in den Wurzelraum von Bäumen hervorzuheben. Sie erschweren zunehmend sowohl die Etablierung als auch die Aufrechterhaltung eines vitalen, leistungsfähigen und verkehrssicheren Baumbestandes in unseren Städten (vgl. KEHR 2020).

Zugleich erhitzen sich die Gemüter unverändert an der Frage, ob das Pflanzen von Bäumen im Straßenraum tatsächlich eine Notwendigkeit darstellt. Seit Jahrzehnten wird auch kontrovers über die Sanierung von Schäden diskutiert, sobald diese nicht mehr tolerierbar sind. Einen Hauptstreitpunkt bildet dabei immer wieder der Umgang mit Bestandsbäumen (Abbildung 1). Ein ausgewogener Dialog zur Verhinderung solcher Schäden von Beginn an findet zumeist jedoch gar nicht erst statt.

Abbildung 1: Derartige Standortsituationen führen geradewegs zu berechtigter Kritik an deren Planung, die in aller Regel jedoch Baumverantwortliche trifft.

Abbildung 2: Unverständnis, Gedankenlosigkeit und Leichtsinn führen bei Bautätigkeiten regelmäßig noch immer zu heftigsten Beschädigungen und dem anschließenden Niedergang von Bäumen.

Es erscheint zudem, als flammen diese Konflikte regelmäßig neu auf. Mit jeder nachrückenden Generation von im Straßenraum Verantwortlichen sehen sich diese einer Problematik ausgesetzt, die von ihren Vorgängern bereits intensiv diskutiert wurde und eigentlich mit Zustimmung aller behoben schien. Aufseiten der „Berufsgrünen“ ist dann beispielsweise nicht nachvollziehbar, woher das Selbstverständnis der für die Ver- und Entsorgung der Städte Verantwortlichen rührt, mit ihren Belangen sehr deutlich den Vortritt vor Bäumen und allem, was im Straßenraum mit Baumpflanzungen zu tun hat, einzufordern und ihre Ansprüche konsequent durchzusetzen.

Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts unterlag in Deutschland die Anpflanzung und Unterhaltung von Bäumen im Straßenraum ersten Regeln (z. B. VDG 1901). Trotz der steigenden Anzahl an Straßenbäumen verlor der Bereich der städtischen Grünplanung dennoch relativ früh an Einfluss. Die Zuständigkeit für Baumpflanzungen wurde bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunehmend von den ehemals dafür zuständigen Landschaftsarchitekten an die Abteilungen der Wasserversorgung, des Kanalisationswesens und des Straßen- oder Tiefbaus übertragen.

Dies war der Beginn einer Entwicklung mit merk lichen Folgen für Bäume im Straßenraum, denn konsequenterweise stand damit auch der Schutz der technischen Anlagen zur Ver- und Entsorgung der Städte vor den Belangen des Stadtgrüns. So ist beispielsweise bekannt, dass bereits um 1900 eine Reihe von Straßenbäumen durch die Berliner Park- und Gartendeputation mit der Begründung abgelehnt wurde, eventuelle Beschädigungen der Kanalisation zu vermeiden (HENNEBO 1978). Somit ist im Laufe der Zeit fast beiläufig etwas entstanden, das bis heute weitestgehend Bestand hat.

WIEPKING (1963) verweist besonders deutlich auf die desaströse Entwicklung. Er berichtet davon, dass „[…] in den letzten Jahrzehnten ein unwürdiger Zustand eingetreten ist. Unverstand, Gedankenlosigkeit und Leichtsinn, bisweilen gar Flegelhaftigkeit und selbst die Bosheit dem hilflosen Baum gegenüber scheinen zu wachsen, je mehr die Handarbeit mit dem Gerät durch die gewaltigen Schub- und Hubkräfte im Erdbau ersetzt wird.“ (Abbildung 2)

Abbildung 3: Baumschutz und Leitungsbau schließen sich keinesfalls automatisch gegenseitig aus, wenn planvoll und kontrolliert vor gegangen wird wie in diesem Beispiel.

Baumverantwortlichen werden diese Worte wie aktuelle Aussagen erscheinen und sie sind mehr als ernüchternd. Die mittlerweile stark gehobenen Ansprüche an die Leistungen des städtischen Grüns machen einen achtsamen Umgang mit Bäumen dringend notwendig und dennoch werden solche Bemühungen von mehreren Seiten noch immer regelmäßig zunichte gemacht. Auch der gedankenlose Umgang mit dem Schutzgut Boden, der immerhin die Grundlage einer jeden Baumpflanzung bildet, wird von demselben Autor schonungslos aufgezeigt.

Besonders erschreckend daran ist, dass diese Berichte 60 Jahre alt sind und eine jahrzehntelang andauernde negative Entwicklung abbilden, die sich seitdem in weiten Teilen nicht verbessert hat. Einzig beim fachgerechten Umgang mit Bäumen bei Baumaßnahmen ist es in der jüngeren Vergangenheit lokal zu einer Umkehr von der gewohnten Praxis gekommen (Abbildung 3), sodass in einigen Großstädten mittlerweile beispielsweise Handschachtungen unter Wurzelerhalt oder der Einsatz eines Saugbaggers bei Eingriffen in den Wurzelraum zu einem Standard geworden sind (STRECKENBACH & DREß 2019; AMTAGE 2021; s. S. 301 und 225).

Über die Ausprägung von Wurzelsystemen gibt es ebenfalls unterschiedliche Auffassungen. Die Diskussion fußt dabei im Wesentlichen auf Ergebnissen, die aus Studien im Forst stammen (KÖSTLER et al. 1968). Sie trugen wesentlich dazu bei, dass Baumgattungen in der Praxis oft noch immer einzig nach Tiefwurzlern und Flachwurzlern unterteilt werden, ohne Rücksicht auf den Einfluss der Bodenbedingungen am Standort zu nehmen.

Auf städtischen Standorten ist die Entwicklung des Wurzelsystems jedoch besonders durch die Standortbedingungen geprägt (vgl. STRECKENBACH & STÜTZEL 2010, s. S. 159) und Erfahrungen zeigen, dass Bäume an urbanen (gestörten) Standorten tendenziell eher flach wurzeln. Derartigen Fehleinschätzungen sind in der Vergangenheit zahllose Bäume bei Bautätigkeiten zum Opfer gefallen – und tun dies noch heute (Abbildung 4).

Abbildung 4: Falsche Annahmen zum Wurzelsystem haben bei dieser Eiche maßgeblich zu ihrem unweigerlichen Niedergang in Folge der Umgestaltung des Standortes geführt.

Jahrbuch der Baumpflege 2021

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