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1 Charakteristika und Erkennungsmerkmale
ОглавлениеViele Stechpalmen wachsen strauchförmig, aber man findet auch regelmäßig baumförmige Exemplare, sodass es sich eindeutig um eine Baumart handelt (Abbildung 1). Der Habitus der Krone kann kegelförmig aussehen oder ist aufrecht oval. Die Triebe bleiben bis zu 10 Jahre grün (Abbildung 2), können also neben den Blättern ebenfalls Photosynthese betreiben. Die dabei produzierte Zuckermenge ist allerdings gering im Vergleich zu den immergrünen mehrjährigen Blättern.
Abbildung 1: Beeindruckender Solitär der Stechpalme als Hausbaum auf Rügen
Abbildung 2: Grüne Triebe betreiben Photosynthese
Die graue Rinde bleibt lange glatt (Typ Glattrinde), in hohem Alter entwickelt sich bisweilen eine Schuppenborke (Abbildung 3). Die Stammumfänge können 1–2 m erreichen, das Höchstalter beträgt 200 Jahre, selten mehr. Das dickste Exemplar Deutschlands wächst in Braunfels bei Wetzlar (Lahn-Dill-Kreis, Hessen, Abbildung 3) in einem Vorgarten. Mit 2,90 m Stammumfang und einem geschätzten Alter von 270 Jahren fragt man sich, wie diese Ausmaße zustande kommen können, noch dazu ist dieser Baum vor einigen Jahren sehr stark eingekürzt oder sogar gekappt worden.
Abbildung 3: Deutschlands dickste Stechpalme mit 2,90 m Stammumfang steht in Braunfels.
Im subatlantischen Klimagebiet erreicht die Stechpalme Höhen bis 10 m, in England und Norwegen bis 15 m, während sie an der französischen Atlantikküste sowie auf den britischen Inseln im Freistand auch über 20 m hoch werden kann.
Die Stechpalme wächst nach dem Architekturmodell Massart, das durch senkrechtes Wachstum des Wipfeltriebes und waagerechte Seitenäste charakterisiert ist. Baumlaien denken meist, dies wäre die häufigste Wuchsform, nach der fast alle Bäume wachsen. Dieses Architekturmodell tritt jedoch fast nur bei Nadelbaumarten auf (z. B. bei Fichte, Tanne, Douglasie) und resultiert in einem für Laubbäume ungewöhnlichen Habitus.
Das ganz Besondere der Stechpalme sind ohne Zweifel ihre Blätter: Sie fallen vor allem im Winter auf, wenn fast alle anderen Laubbäume kahl sind. Dann glänzen sie in der Wintersonne und wirken durch ihre großen Blattrandzähne bizarr (Abbildung 2). Die glänzende Blattoberfläche kommt durch verstärkte Wachsauflagerungen zustande, welche die Blätter vor Austrocknung und Kälte schützen, denn sie sollen mehrere (bis zu 4) Sommer und Winter überleben. Vor dem Laubfall der ältesten Blätter im Spätsommer findet keine nennenswerte Blattfärbung statt.
Es gibt nur männliche oder weibliche Bäume (sog. Zweihäusigkeit), daher ist zur Fruchtbildung die Nähe beider Geschlechter notwendig: Sie sollten dann nicht weiter als 50 m voneinander entfernt stehen. Die von Insekten im Mai (bis Juni) bestäubten Blüten duften angenehm und sind grünlich- bis cremeweiß, aber durch ihre geringe Größe relativ unauffällig (Abbildung 4). Im Gegensatz dazu fallen die Steinfrüchte im Herbst und Winter durch ihre leuchtend rote Farbe zwischen den dunkelgrünen Blättern sehr auf. Das bemerken auch Vögel, die sie im Winter fressen, wenn sie bei Frost weich geworden sind.
Abbildung 4: Hübsche Blüten im Mai mit Bienen als Bestäuber
In natürlichen Beständen überwiegen vermutlich männliche Exemplare. Eine genaue Erfassung ist schwierig, da weibliche Pflanzen nicht jedes Jahr sowie erst in fortgeschrittenem Alter blühen und dann nicht als solche erkannt werden. Außerdem sind weibliche Zweige wegen ihrer attraktiven Früchte bei der Bevölkerung sehr begehrt, was zu einem Rückgang weiblicher Exemplare und in der Folge ganzer Bestände geführt hat. Die Früchte werden durch Vögel (Drosseln, Wildtauben, Feld- und Moorhühner) über größere Entfernungen transportiert und tragen so zur Ausbreitung der Stechpalme bei. Sie dienen den Vögeln allerdings meist nur in sehr harten, schneereichen Wintern als Nahrung. Deshalb verbleiben die Früchte oft noch bis zur nächsten Blüte (Mai/Juni) am Baum.
Eine natürliche Verjüngung über Samen kommt im Wald nur selten und nur an Standorten mit Altholzschirm vor. Die Vermehrung erfolgt dann vornehmlich über Wurzelaustriebe. In Gärten und Parks sieht man deutlich mehr Sämlinge. Die Samen unterliegen zunächst einer ein- bis dreijährigen Keimruhe, die auch in Versuchen unter keimungsfördernden Bedingungen (chemische Mittel, Phytohormone, mechanisches Ritzen, Temperaturwechsel) nicht zu brechen war. Grund dafür ist der zum Zeitpunkt der äußerlichen Fruchtreife noch kleine, ungenügend entwickelte Embryo.
Die Stechpalme entwickelt ein Herz- oder Senkerwurzelsystem: Horizontal verlaufende Hauptwurzeln verzweigen sich zu einem dichten Netz von Feinwurzeln in der Humusschicht, von den Hauptwurzeln dringen Senker in größere Bodentiefen vor. Die horizontale Ausdehnung des Wurzelsystems entspricht in Beständen etwa derjenigen der Krone, im Freistand kann sie auch deutlich darüber hinausgehen.
Sie gehört zur Familie der Stechpalmengewächse (Aquifoliaceae). Der Gattungsname „Ilex“ war die römische Bezeichnung der Stein-Eiche (Quercus ilex) und wurde wegen der ähnlichen Blätter auch auf die Stechpalme übertragen. Es gibt auch eine Ilexblättrige Eiche (Quercus ilicifolia). Das Art-Epitheton „aquifolium“ ist der römische Name dieser Pflanze und bezieht sich auf die stechenden Blätter (lat. acutus = scharf, spitz; lat. folium = Blatt).