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3 Entwicklungen am Beispiel des Christophorus Hospiz Vereins e. V. in München (CHV) Josef Raischl und Hermann Reigber 3.1 Die Anfänge

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Im katholisch-nachkonziliaren Jahr 1969 begleitete ein junger Jesuit seinen Mitbruder Pater Karl Rahner SJ, einen der größten katholischen Theologen des 20. Jahrhunderts, zum Empfang einer Ehrendoktorwürde nach England. Der junge Reinhold Iblacker SJ begegnete bei dieser Gelegenheit Dr. Cicely Saunders und der Hospizidee in Großbritannien (Seitz und Seitz 2002, S. 76–77). Die Begegnung inspirierte ihn, der in die Medienarbeit einsteigen wollte, über das St. Christopher’s Hospice in London einen Film zu drehen: 1971 lief »Noch 16 Tage« im ZDF. Die Hospizidee infizierte die Gesellschaft auf dem europäischen Kontinent mehr und mehr (vgl. Funiok 2018). Der Pater sollte bis zu seinem Tod im Jahr 1996 die deutsche Hospizbewegung inspirieren. Mit vielen Mitstreitern hat er dem Christophorus Hospiz Verein in München, dem ältesten deutschen Hospizverein, Gestalt und Richtung gegeben.

Dabei spielten von Anfang an vielfältige Perspektiven eine Rolle, darunter gesellschafts- und sozialwissenschaftliche, religiös-spirituelle und philosophische, aber natürlich auch pflegerische und medizinische (vgl. Greiner 2019). Wie konnten diese Aspekte in die praktische Patienten-Versorgung integriert werden?

»Kein Mensch scheint seelisch in der Lage, den Gedanken an seinen Tod zu ertragen […] Wie bei jedem Schrecken, der uns überkommt, und jeder Versuchung, die uns anfällt, suchen wir auch beim Tod nach Mitteln und Wegen, uns gegen seine Macht zu wappnen und uns aus seinem Bann zu lösen […] Wir legen die Hand vor die Augen, um uns den Anblick des Schrecklichen zu ersparen.« (Nuland 1994, S. 15 f.)

Nuland berührt hier die Grundlagen der modernen, internationalen Hospizbewegung, der es nicht nur um eine humanere, kompetentere und umfassendere Versorgung Sterbender und ihrer Angehörigen geht, sondern auch um die Integration von Sterben, Tod und Trauer in das gesellschaftliche Leben, die (Wieder-)Entdeckung der fundamentalen Bedeutung des Todes für das Leben und die Lebenden. Annäherung, Akzeptanz, Anteilgeben und Anteilnehmen versus Ausgrenzung, Abschiebung, Isolation, Entfremdung.

»Alleinsein und dann allein gelassen werden wollen, keine Freunde haben und dann den Menschen misstrauen und sie verachten, die anderen vergessen und dann vergessen werden, für niemanden da sein und von niemandem gebraucht werden, um niemanden Angst haben und nicht wollen, dass einer sich Sorgen um einen macht, […]: der schreckliche Tod […]« (Sölle 1973; zitiert nach Kaldewey und Niehl 1992, S. 65).

Das Sterben ist vor allem auch ein soziales Geschehen, ein Prozess im Miteinander der Menschen – neben aller physischen Dimension (vgl. Schneider 2011)! »Wenn man recht erwägt, was eigentlich das Leben ist, so besteht es darin, seine Mitbürger sterben und geboren werden zu sehen« (Friedrich der Große am 10. August 1786; zitiert nach Kaldewey und Niehl 1992, S. 77). Die soziologische Perspektive, in der die handfesten medizinisch-pflegerischen Leistungen der Palliativversorgung zurücktreten, rückt die kulturell-philosophische Frage nach Haltung und Umgang mit Tod und Sterben sowie Trauer in den Mittelpunkt. In der bayerischen Begleitstudie zur SAPV 2010–2011 beeindruckt u. a. ein die Wirksamkeit dieser neuen Versorgungsform berührendes Ergebnis: Es ist gelungen, ein subjektives Gefühl der Sicherheit im Umgang mit dem Sterben zu Hause zu schaffen (vgl. Schneider 2010).

Für den CHV ging es von Anfang an um die Multiperspektivität, die

»im Idealfall […] zu einer Horizontverschmelzung führen kann, die es dem Team erlaubt, für den jeweiligen Menschen mitsamt seinem sozialen Umfeld die angemessene Form der Begleitung zu erspüren. Die psychosoziale und spirituelle Dimension stellt dabei jenen Mehrwert dar, der den Unterschied zwischen Cure (gesund machen) und Care (liebevoll betreuen) ausmacht« (Borasio 2011, S. 194).

Soziale Arbeit in Palliative Care

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