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Lernprozesse am Beispiel unterschiedlicher Rechtskulturen
ОглавлениеDie österreichische Journalistin Eva Menasse hat den Prozess beobachtet, den Irving 1999 in London gegen seine Kritikerin Deborah Lipstadt angestrengt hatte. Es ging ihm um seine Ehre und seinen Ruf (Menasse 2000, S. 12). Aber der Richter stellte fest, dass Irving weiterhin „ein Rassist, ein Antisemit, ein Holocaust-Leugner und ein absichtlicher Fälscher historischer Fakten“ genannt werden darf (Menasse 2000, S. 157). Sie schließt ihren Essay „Der Holocaust vor Gericht“ mit einem Vorschlag für das hier verhandelte Problem, der mir plausibel erscheint: „Zum juristischen Umgang ‚mit den Irvings und Co‘ sind noch viele Fragen offen. Doch scheinen verschiedene Systeme mehr Chancen zu eröffnen als eine einheitliche Lösung. Dass Irving in Deutschland und Österreich seine Parolen nirgends äußern, ja, dass er nicht einmal mehr einreisen darf, scheint aufgrund der historischen Lasten und Pflichten richtig, vielleicht nicht für immer, aber noch eine gute Zeit lang. Dass er in den Vereinigten Staaten predigen und hetzen darf und dafür von der Macht der Zivilgesellschaft bestraft wird, ist nur gerecht und vielleicht die beste Lösung unter vielen schlechten. Dass Irving in seiner Heimat Großbritannien sogar die Möglichkeit hat, zu seiner ‚Ehrenrettung‘ den Gerichtshof der Königin anzurufen, muss im Sinne von Aufklärung und demokratischer Konfrontation nicht falsch sein“ (Menasse 2000, S. 178).
In der politischen Bildungsarbeit besteht neben einer „antifaschistischen Rechtsmoral des Nie wieder“ eine – der pädagogischen Logik angemessene – Skepsis gegenüber Maßnahmen, gar juristischen Zwangsmaßnahmen und gegenüber dem Strafrecht. Und die Skepsis, ob das trockene juristische Argumentieren der Moral gerade in Menschenrechtsfragen gerecht werden kann, ist bei Bildungsveranstaltungen gerade mit Jugendlichen oft spürbar. Dennoch halte ich es für zwingend, die hier vorgetragenen Themen in die politische Bildungsarbeit und die Menschenrechtsbildungsarbeit einzubringen. Denn: Auch Rechtsverständnis will gelernt sein, gerade wenn in Bildungsveranstaltungen immer häufiger rechtsextremistisch Geschulte mit ihrem Recht auf Meinungsfreiheit, auf Wissenschaftsfreiheit, auf ergebnisoffenen Diskurs usw. argumentieren. Diejenigen, die „Gegen Rechts“ das Banner „Aktive Demokratie“ hochhalten, sollten sich auch mit dem Menschenrecht auf Meinungsfreiheit aktiv auseinandersetzen. Wer andererseits die Menschenrechte in historischer Perspektive als Reaktion auf den Nationalsozialismus analysiert und zum Bestandteil der Bildungsarbeit macht, muss sich mit dem Stand der Erfahrungen derjenigen befassen, die sich in der aktiven Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus befinden.