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Internationale Normsetzung

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Relativ unabhängig von solchen Diskursen zu den nationalen Rechtskulturen setzt sich der transnationale Verrechtlichungsprozess fort und bringt gerade auch in Menschenrechtsfragen zu beachtende Maßgaben ins Spiel, hier vor allem das Verbot rassistischer Diskriminierung. Vom Statut der Vereinten Nationen über regelmäßige VN-Resolutionen (z. B. in den 70er Jahren zur Apartheid in Südafrika) bis hin zur Antirassismuskonvention („Internationales Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung“) gibt es eine weltweit gültige Verpflichtung, rassistische Diskriminierung zu unterbinden oder zu bestrafen (Zimmer 2001, S. 37 ff., S. 212 ff.). Wann ist hier ein strafrechtliches Verbot von rassistisch diskriminierenden Äußerungen im nationalen Rahmen gefordert? Zimmer betont – mit Verweis auf die als ‚ethnischen Säuberungen‘ deklarierten Verbrechen in Ruanda und Jugoslawien – ausdrücklich: „Hinsichtlich strafrechtlicher Sanktionen ist in der Antirassismuskonvention kein Ermessensspielraum vorgesehen. Rassendiskriminierende Äußerungen und Handlungen können den Beginn einer rassistischen Bewegung innerhalb eines Staates darstellen“ (Zimmer 2001, S. 219). Das „Wehret den Anfängen“ findet sich somit auch in der Logik der internationalen Konventionen. „Art. 4 der Konvention zwingt die Staaten zum Erlass von Strafgesetzen, durch die sowohl die Verbreitung von rassistischen Ideen als auch die Aufreizung zum Rassenhass mit Sanktionen belegt werden“ (Zimmer 2001, S. 269). Navi Pillay, Menschenrechtskommissarin der Vereinten Nationen, erinnerte die Unterzeichner der Erklärung der Genfer Antirassismuskonferenz erst jüngst wieder an diese Verpflichtung. Im Abschlussdokument der Durban-II-Konferenz gegen Rassismus (2009) heißt es dazu unter Artikel 59: „The conference invites Governments and their law enforcement agencies to collect reliable information on hate crimes in order to strengthen their efforts to combat racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance“ (Durban Review Conference 2009). Bemerkenswert ist dabei die positive Interpretation der Meinungsfreiheit unter Artikel 58 des Dokumentes: „… that the right to freedom of opinion and expression constitutes one of the essential foundations of a democratic, pluralistic society and stresses further the role these rights can play in the fight against racism, racial discrimination, xenophobia and related intolerance worldwide“ (Durban Review Conference 2009).

Nun wird man die entsprechenden Strafandrohungen im deutschen StGB als Erfüllung dieser Verpflichtungen verstehen können. Im Falle der Verfolgung von Holocaust-Leugnung geht das StGB sogar noch darüber hinaus. Dennoch gibt es weitere Anforderungen an die deutsche Rechtspolitik: Im Bericht der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (European Monitoring Center on Racism and Xenophobia – EUMC) werden seit Jahren Studien über die legislativen Maßnahmen in diesem Politikfeld erstellt (Winkler 2002, S. 270). Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat in einer Stellungnahme zum Nationalen Aktionsplan, der sich auch auf die EUMC-Studien bezieht, der Bundesregierung einen Maßnahmeplan vorgeschlagen, der allerdings insgesamt strafrechtliche Verschärfungen nicht für nötig hält (Follmar-Otto/Cremer 2007). Dennoch kehrt die Aufforderung „Rassismus härter bestrafen“ immer wieder, allerdings mit einer Akzentverschiebung von Meinungsäußerungen auf Tatmotive: „Verschärfung“ ist der Tenor, mit dem die ECRI-Ergebnisse (European Comission on Racism and Intolerance) vor dem Europarat im Dezember 2008 präsentiert wurden. Die Bundesregierung wird darin dringend aufgefordert, rassistische Motive bei allgemeinen Verbrechen im Strafrecht besonders zu erwähnen und strafverschärfend zu berücksichtigen (ECRI 2008). Gegenüber dieser Forderung hatte schon Silvia Seehafer in ihrer vergleichenden Untersuchung von 2003 folgende skeptische Überlegung formuliert:

„Im bundesdeutschen Strafrecht existieren keine speziellen und ausdrücklich die rechtsextremistische / fremdenfeindliche Motivation bei Gewaltdelikten berücksichtigenden Regelungen, wie sie in den USA oder einigen europäischen Staaten anzutreffen sind. Der Ruf nach einer schärferen Ahndung entsprechender Taten beinhaltet die Forderung nach einer besonderen ‚hate crime‘-Regelung, die von politischer Seite bereits an den Gesetzgeber erhoben wurde. Strafverschärfungen sind auch durch eine Änderung des Strafzumessungsrechts durchsetzbar. Grundsätzlich könnte für eine besondere Behandlung dieser Taten sprechen, dass ihnen tatsächlich ein besonderer Unrechtsgehalt innewohnt. Zusammenfassend lässt sich als Ergebnis der Untersuchungen festhalten, dass eine Berücksichtigung der Gesinnung des Täters im Tatbestand die gesetzliche Grundkonzeption, die zwischen Tatbestand, Rechtswidrigkeit, Schuld und Strafzumessung unterscheidet, verwischen würde. Es besteht die Gefahr, dass emotionale Entrüstung zum Qualifizierungsmaßstab wird …“ (Seehafer 2003, S. 16).

Nun ist die besondere Verwerflichkeit einer Tat ja durchaus schon Teil richterlicher Strafzumessung. Rassistische Motive können darunter fallen. Dennoch verbietet sich wohl eine zusätzliche gesetzliche Festlegung, die den Richter zur Untersuchung und Feststellung einer bestimmten Motivationslage zwingen würde. Damit wären die Gerichte letztlich zu Gesinnungs-Befunden gezwungen, die sie nur mit Erkenntnissen aus der geschützten Privatsphäre gewinnen könnten.

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