Читать книгу Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten - Группа авторов - Страница 20

Hate Speech in den USA

Оглавление

Brugger beginnt mit einer Begriffsbestimmung: Hate Speech umfasst jede Form der Meinungsäußerung, die verletzend für jegliche rassische, religiöse, ethnische oder nationale Gruppe war. Nach einem Durchgang durch die Auseinandersetzungen um das Verbot bestimmter Arten von Meinungsäußerungen im universitären Kontext („campus speech codes“) kommt Brugger zu dem Fazit: „Amerikanische Policy-Antworten auf rassistische und ethnische Agitation und Hassrede unterscheiden sich deutlich von jenen in anderen westlichen Demokratien“ (Brugger 2009). In seiner Kontextualisierung der unterschiedlichen Verfassungstraditionen verweist Brugger auf „verschiedene geistesgeschichtliche Fundamente und auf die Erfahrungen der Vergangenheit, die zur unterschiedlichen Behandlung von freier Rede innerhalb der jeweiligen rechtlichen Rahmen geführt haben“ (Brugger 2009). Im Grundgesetz stehe – im Unterschied zur Meinungsfreiheit im First Amendment der USA – der Schutz der Menschenwürde an oberster Stelle.

„Die amerikanische Tradition vertraut auf die Durchsetzungskraft von guten Meinungen im Wettbewerb mit schlechten.“ Die Kraft der öffentlichen Vernunft werde als effektivstes Mittel gegen Hass und Unsicherheit verstanden. Dagegen ist einzuwenden – und Brugger verweist auf die Debattenbeiträge aus der US-Frauenbewegung gegen Rassismus und Pornografie – dass ja durch Hassreden wirkliche Verletzungen hervorgerufen werden, dass die Würde von Einzelpersonen und Gruppen tatsächlich verletzt wird und geschützt werden sollte. Zudem „gibt es einen kumulativen Effekt von physischer und verbaler Gewalt“ (Brugger 2009). Ich fasse das Ergebnis dieser rechtsvergleichenden Darstellung so zusammen: Aus der amerikanischen Tradition der Meinungsfreiheit ergibt sich unzweifelhaft eine tiefgreifende gesellschaftliche Verbundenheit mit dem Prinzip, dass alle Meinungen Zugang zum „marketplace of ideas“ haben sollen. Ungeachtet dessen stellen die Auswirkungen, die Hassrede auf die betroffenen Gruppen hat, ein ernstzunehmendes gesellschaftliches Problem dar. Greift man nicht ein, so bleiben die Opfer weiterhin Opfer der Worte, die verwunden.

Bruggers rechtsvergleichende Darstellung ist vorsichtig bei der Bewertung der beiden Traditionen, im Unterschied zu der von ihm eher skeptisch beurteilten Position von Judith Butler. Die auch in Deutschland bekannte feministische Sprachwissenschaftlerin arbeitet mit dem Foucaultschen Diskursbegriff, der das feine Verwobensein von Denk- und Herrschaftsstrukturen gerade auch im Strafrecht analysiert. In ihrer Untersuchung „Hass spricht – Zur Politik des Performativen“, in den USA 1997 unter dem Titel „Excitable Speech A Politics of the Performative“ erschienen, argumentiert sie ganz aus einem liberal-staatskritischen Grundverständnis heraus:

„Wenn die Befürworter einer rechtlichen Verfolgung von hate speech die state action doctrine [Staatliches Handeln ist rechtlich anders zu sehen als gesellschaftliches, der Verf.] verabschieden, verabschieden sie möglicherweise zugleich eine kritische Auffassung der Staatsmacht, indem sie deren Attribute auf jene Handlungs- und Wirkungsmöglichkeiten übertragen, über die Staatsbürger als Subjekte verfügen. Indem der Staat mit seinem Rechtssystem über die Verfolgung von hate speech entscheiden soll, erscheint er stillschweigend als eine Form der neutralen Rechtsdurchsetzung“ (Butler 2006, S. 78 ff.).

Sie parallelisiert als Feministin die gesellschaftliche Definitionsmacht über Geschlechts- mit der staatlichen über Rassen-Identität. Besonders die Befürworter der Strafverfolgung warnt sie vor der produktiv-diskursiven, definitorischen Macht des Staates. Darüber hinaus, so Butler, produziere der Staat Hate Speech. Die rechtliche Kategorie der Hassrede könne ohne das Tätigwerden des Staates nicht existieren und der Staat entscheide zwischen Sprechbarem und Nicht-Sprechbarem. Dadurch lege der Staat selbst fest, was allgemein akzeptable Rede sei. Rede sei mithin solange nicht hasserfüllt oder diskriminierend, bis die Gerichte sagen, dass sie dies sei. Im Verständnis Butlers gibt es solange keine Hassrede im eigentlichen Sinne, wie kein Gericht entschieden hat, dass diese vorliegt. Da es sich dabei um staatliche Entscheidungen handle, produziere der Staat selbst Hate Speech – auch wenn er sie nicht selbst verursache. Regelungen von Hassrede, die nicht staatlich zentriert sind, so zum Beispiel Campus Speech Codes in einer eingeschränkten Jurisdiktion der Universität, sind aus Butlers Sicht weniger besorgniserregend. Trotzdem fordert sie, solche Regelungen eingeschränkt anzuwenden und hinsichtlich des Effekts dieser Rede eine entsprechende Beweisführung vorzunehmen.

Butler kritisiert, dass die rechtlichen Bemühungen, Hassrede einzuschränken, beim Individuum ansetzen. Der Redner wird als Schuldiger ausfindig gemacht, obwohl er nicht der Ursprung dieser Rede ist. Im Zentrum ihrer Argumentation steht, dass gesetzliche Verbote problematisch sind, obwohl sie diese letztendlich nicht klar ablehnt. Sie favorisiert eher die Strategie des subversiven Umdeutens: Die Homosexuellen haben zum Beispiel das Schimpfwort „schwul“ an die Absender zurückgegeben, allerdings positiv als Selbstbezeichnung umgedeutet.

Jahrbuch der Akademie CPH - Anregungen und Antworten

Подняться наверх