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Politische Konditionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit

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Eine erste Antwort könnte lauten: Zunächst einmal sollten wir mit unseren Entwicklungsgeldern keine Regime unterstützen, die massiv Menschenrechte verletzen. Im Sinne einer negativen politischen Konditionalisierung der Entwicklungszusammenarbeit hieße dies, keine Entwicklungshilfe an menschenrechtsverachtende Regime zu leisten. Oder die bereits bestehende Entwicklungszusammenarbeit einzuschränken oder auszusetzen, wenn es zu massiven staatlichen Menschenrechtsverletzungen kommt. Diese Forderung ist legitim: Es ist gewiss unser aller Anliegen, menschenrechtsverletzende Regime nicht auch noch finanziell zu (unter)stützen. Kein Mensch möchte, dass Entwicklungsgelder in die Schatullen brutaler Gewaltherrscher und korrupter Herrschercliquen fließen, die sich auf Kosten der Bevölkerung und deren Menschenrechten bereichern.

Andererseits kann sich die Entwicklungshilfe nicht nur auf Länder beschränken, die Menschenrechte vollumfänglich umsetzen, denn sonst wäre der Kreis der Partnerländer doch sehr überschaubar. Viele Entwicklungsländer weisen Menschenrechtsprobleme auf, auch weil die Menschenrechts- und die Entwicklungsproblematik miteinander verquickt sind. Zudem muss eine menschenrechtlich orientierte Entwicklungszusammenarbeit, sofern sie etwas bewirken will, auch in Staaten mit Menschenrechtsproblemen aktiv werden. Entscheidend ist dann aber die Frage, ob Mindestbedingungen für eine sinnvolle Entwicklungszusammenarbeit (fort)bestehen, welche Kooperationspartner innerhalb dieser Länder ausgewählt werden und wie die Kooperation ausgestaltet wird. Hier gilt es Reformkräfte und Institutionen zu unterstützen, die menschenrechtliche Anliegen voranbringen können. Zugleich kann die Entwicklungszusammenarbeit – etwa über Bildungs- und Gesundheitsförderung – dazu beitragen, Bedingungen zu schaffen, die es den Menschen erleichtern, ein selbstbestimmtes Leben in Gemeinschaft mit anderen zu führen und für ihre Rechte selbständig und nachhaltig einzutreten.

Das Einfrieren jeglicher Entwicklungshilfe ist daher ein Instrument, das nur sparsam und nach sorgfältiger Abwägung zu nutzen ist und das in seiner praktischen Bedeutung in der öffentlichen Debatte leicht überschätzt wird. In der Regel kommt es nur in besonders schweren Fällen zum Tragen, etwa bei schweren Menschenrechtsverbrechen oder wenn sich die Regierenden zu skrupellosen Gewaltpotentaten entwickeln, wie etwa der späte Mugabe in Simbabwe. Obwohl die Einstellung von Entwicklungshilfe also im Einzelfall angebracht sein kann, sollte man sich insgesamt nicht allzu sehr auf das Instrument der negativen Konditionalisierung der Menschenrechte verlassen – zumal es in der Anwendung anfällig ist für „doppelte Standards“ bei der Auswahl der Partner und dem Umgang mit diesen.

Praktisch bedeutsamer als die Aussetzung der Entwicklungshilfe sind hingegen Versuche einer – nennen wir es – „steuernden“ Konditionalisierung. Die Entwicklungszusammenarbeit wird demnach an Bedingungen geknüpft, die nicht nur als Ausschlusskriterien verwandt werden, sondern den Entwicklungsprozess menschenrechtskonform mitsteuern sollen, indem dort menschenrechtliche Normen und Prinzipien (wie Nicht-Diskriminierung, Partizipation und Rechenschaftspflicht) zur Geltung gebracht werden. Im Idealfall dienen solche Vergabekriterien einer kontinuierlichen Bewertung und Einforderung der Entwicklungs- und Menschenrechtsorientierung von Partnerländern, etwa im Rahmen eines kritischen bilateralen oder multilateralen Regierungsdialogs. Solche Vergabekriterien können auch die Grundlage für Anreize sein, Fortschritte im Bereich der Menschenrechte und Demokratie zu erfassen und über eine verstärkte Entwicklungszusammenarbeit zu belohnen.

Für die Vergabe der bilateralen deutschen Entwicklungshilfe wurden bereits im Jahre 1991 unter dem damaligen CSU-Entwicklungsminister Carl-Dieter Spranger Kriterien entwickelt, die auch die Beachtung der Menschenrechte einschlossen. Diese Kriterien wurden 2007 nochmals grundlegend überarbeitet. Ob und vor allem in welcher Form Deutschland mit einem Land entwicklungspolitisch zusammenarbeitet, hing demnach – und hängt noch heute – auch von der Beachtung der Menschenrechte ab. Freilich waren und sind noch eine Reihe weiterer Kriterien für die Entscheidung relevant, mit welchen Ländern die Bundesrepublik entwicklungspolitisch kooperiert. Die aktuelle Bundesregierung berücksichtigt hierbei Eigenangaben zufolge: die entwicklungspolitische Notwendigkeit; die Entwicklungsorientierung und die Art der Regierungsführung der Partnerregierung; ökologische und politische Ziele; die Bedeutung des deutschen Beitrags im Vergleich zu anderen bilateralen und multilateralen Gebern sowie regionale Aspekte und gewachsene Bindungen.

So verwundert es nicht, dass unter den gegenwärtig 58 Partnerländern der bilateralen deutschen Entwicklungszusammenarbeit nicht nur lupenreine Demokratien mit weißer Menschenrechtsweste sind. Vielfach handelt es sich um Staaten, die autoritär regiert werden und ein schlechtes oder zumindest kein gutes Menschenrechtsprofil aufweisen. Neben Post-Konfliktstaaten wie Afghanistan, der Demokratischen Republik Kongo und dem (Süd-)Sudan wären hier etwa asiatische Autokratien wie Kirgistan, Tadschikistan, Usbekistan, Laos, Mongolei, Nepal oder Vietnam zu nennen. Oder in Nordafrika und im Nahen Osten Staaten wie Ägypten, Marokko, Tunesien, der Jemen oder Syrien, die ebenfalls nicht demokratisch regiert werden und erhebliche Menschenrechtsprobleme aufwerfen. Unter den zahlreichen afrikanischen Partnerländern ist etwa Äthiopien hervorzuheben, das seit Jahrzehnten zu den wichtigsten Empfängerländern internationaler Hilfsleistungen gehört und ein Schwerpunkt deutscher Entwicklungspolitik ist, obwohl die dortige Menschenrechtslage alles andere als gut ist. Auch in Guinea fördert die Bundesrepublik Deutschland seit Ende der 1980er Jahre Projekte technischer Entwicklungszusammenarbeit, obschon das westafrikanische Land stets autoritär und lange Zeit mit eiserner Hand regiert wurde. Guinea ist freilich gegenwärtig eingebunden in ein Programm „Fragile Staaten Westafrikas“, das auch Côte d’Ivoire, Sierra Leone und Liberia umfasst.

Auch für die Bundesrepublik Deutschland wird man also feststellen können, dass die Beachtung der Menschenrechte nicht allein und vorrangig darüber entscheidet, mit wem wir zusammenarbeiten. Wie gesagt, kann es entwicklungspolitisch und auch menschenrechtspolitisch angebracht sein, auch mit solchen Entwicklungsländern zu kooperieren, die noch gravierende Menschenrechtsprobleme aufweisen. Entscheidend ist dann allerdings die Frage, ob es gelingt, menschenrechtliche Normen und Prinzipien bei der Ausgestaltung der Entwicklungszusammenarbeit geltend zu machen und entsprechende Reformbemühungen vor Ort zu stärken.

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