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Scientology – der Status Quo in Deutschland und den USA

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Laut Garrison wurde die Steuerbefreiung der Founding Church of Scientology schon 1956 von der amerikanischen Steuerbehörde, dem Internal Revenue Service (IRS), gewährt, diese aber bereits zwei Jahre später zurückgezogen mit der Begründung, dass Scientology nicht ausschließlich religiöse Zwecke verfolge.18 In den Folgejahren strebte Scientology mehrere Klagen gegen den IRS an, die jedoch erfolglos blieben. Erst 1989 bestätigte ein Revisionsgericht in Kalifornien, dass Scientology als Religion zu beurteilen sei. Der Organisation war es nun gelungen, darzulegen, ihre Praktiken würden durchaus denen traditioneller Religionsgemeinschaften entsprechen. Das Urteil stellte klar die Rechte heraus, auf die sich Scientology berufen konnte, ohne dabei die Gefahren auszuklammern, die von der Organisation möglicherweise für den Einzelnen ausgingen. Die dogmatischen und theologischen Inhalte der Lehre wurden von den Richtern nicht bewertet.

Auf diesem Urteil aufbauend und nach Offenlegung des eigenen Vermögens, errang Scientology den lang angestrebten Status der Steuerfreiheit schließlich am 13. Oktober 1993 durch Genehmigung des IRS. Seither ist Scientology in den USA als Religionsgemeinschaft anerkannt und damit auch von der Federal Income Tax befreit.19 153 Scientology-Organisationen und Missionen wurden entsprechend als Organisationen gemäß section 501(c) (3) und section 170 (b) (1) (A) (i) des Internal Revenue Code eingestuft. Das garantiert nicht nur Steuerfreiheit für die Organisation selbst, sondern ermöglicht auch den Mitgliedern, ihre Beiträge von der Einkommenssteuer als Spenden abzusetzen. An dieser Stelle ist zu erwähnen, dass in den USA anders als in Deutschland hinsichtlich des rechtlichen Status keinerlei Differenzierung zwischen religiösen Vereinigungen vorgenommen wird. Eine Unterscheidung in Körperschaften des öffentlichen Rechts beispielsweise oder gemeinnützige Vereine kennen die USA nicht. Alle denominations, unabhängig von ihrer Größe oder ihres Alters, erfahren somit eine Gleichbehandlung. Bereits daran wird das große Bemühen ersichtlich, eine möglichst hohe Neutralität des Staates im Umgang mit Religion zu gewährleisten. Ein Verbot Scientologys stand in den USA zu keiner Zeit ernsthaft zur Diskussion.

In Deutschland gestaltet sich die rechtliche Einordnung Scientologys weit schwieriger, was mehrere Ursachen hat. So ist zum einen eine wertneutrale Annäherung an den Gegenstand weniger stark ausgeprägt, wie Leggewie und Lagalée treffend befinden:

„[D]ie Disqualifikation von Scientology als ‚Kirche‘ und ihre pejorative Einordnung als ‚Sekte‘ hilft nicht weiter. Dies ist ein alteuropäischer Maßstab, der die etablierten christlichen Großkirchen über Gebühr privilegiert hat und schon bei der Anerkennung der nichtkirchlich strukturierten islamischen Gemeinschaften in Europa auf gewaltige Probleme stößt.“20

Zum anderen bestehen, wie oben angesprochen, in Deutschland zahlreiche Rechtsformen, die religiöse Vereinigungen annehmen können. Im Falle Scientologys haben sich Gerichte sowohl mit der Frage auseinandergesetzt, ob Scientology als Religionsoder Weltanschauungsgemeinschaft einzustufen ist, als auch mit der Frage, ob Gemeinnützigkeit oder aber ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb zu attestieren ist. Die jeweiligen Urteile gehen hier weit auseinander. So kam z. B. das Bundesarbeitsgericht 1995 zu dem Schluss, dass Scientology wirtschaftliche Zwecke verfolge und nicht als Religionsgemeinschaft gemäß Art. 4, 140 GG und 137 WRV zu betrachten sei, weil „die völlige Kommerzialisierung der Mitgliedschaft und der religiösen Dienste“ im Mittelpunkt stehe, was durch die „geschäftliche Werbung, [die] Provisionszahlung für erfolgte Vertragsabschlüsse sowie [die] finanzielle Erschwerung des Aus- und Wiedereintritts“21 deutlich werde. Völlig anders hingegen urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof unter Bezugnahme auf ein ähnliches Urteil des Baden-Württembergischen VGH:

„Nach diesen Grundsätzen ist der BayVGH – wie bereits der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hinsichtlich einer anderen Scientology-Organisation – zu dem Ergebnis gelangt, dass der Verein Celebrity Center Scientology Kirche München e. V. keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält. Die von ihm gegenüber seinen Mitgliedern angebotenen Leistungen, insbesondere das sog. Auditing und die Ausbildung zum Auditor, die nach seinem unbestrittenen Vortrag einen wesentlichen Teil seiner Tätigkeit ausmachen, sind zentraler Teil der Lehre von Scientology und können deshalb nicht von anderen, wie z. B. von Aussteigern, in vergleichbarer Weise erbracht werden. Für die Mitglieder werden diese Leistungen von der gemeinsamen scientologischen Überzeugung – mag es sich um eine Religion handeln oder nicht – getragen, von der sie nicht gelöst werden können, ohne ihren Wert für die einzelnen Mitglieder zu verlieren.“22

Schlussendlich ist somit die rechtliche Beurteilung Scientologys in Deutschland von Bundesland zu Bundesland stark unterschiedlich, wobei die Anerkennung als gemeinnütziger Verein in den letzten Jahren zunehmend von Gerichten bestätigt wurde.

Diese Tendenz in der Rechtsprechung hat sich jedoch nicht, wie man vielleicht annehmen möchte, positiv auf die Mitgliederzahlen ausgewirkt. Seit Ende der 90er Jahre ist von sinkenden, bestenfalls von stagnierenden Mitgliederzahlen in Deutschland auszugehen, was vor allem an dem extrem negativen Bild Scientologys liegt, das in den 90er Jahren in der öffentlichen Kontroverse geprägt wurde. Die aktuelle Zahl der Scientologen liegt nach Eigenangaben der Organisation bei etwa 12000.23 Das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg hingegen schätzte 2007 die Zahl der Scientologen in Deutschland auf nur 5000 bis 6000.24 Zehn Jahre vorher ging Ursula Caberta noch von einer Mitgliederzahl von 10000 aus, jedoch mit abnehmender Tendenz.25 Ähnlich befand der Kritiker Ingo Heinemann: „Ende der 1990er ist die Zahl der Mitglieder und der Anhänger in Deutschland drastisch zusammengebrochen, vermutlich auf ein Zehntel der ursprünglichen Zahlen.“ Als Gründe gibt er „die öffentliche Berichterstattung, die Aufklärung und die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ab 1997“26 an. Wenngleich dem Befund zu den Ursachen vorbehaltlos zuzustimmen ist, scheint die Schätzung eines Einbruchs auf ein Zehntel doch als gewagt, denn sie würde implizieren, dass Scientology einst 50 000 bis 60 000 Mitglieder in Deutschland gehabt habe.

In den USA kann von etwa 55 000 Scientologen ausgegangen werden, wenngleich hier eine Einschätzung schwierig ist, da keine Daten von öffentlicher Stelle vorliegen. Einen sehr guten Anhaltspunkt liefert jedoch das umfangreiche American Religious Identification Survey das auf einer Selbsteinschätzung der Befragten beruht. Es ermittelte von 1990 bis 2001 sogar einen leichten Zuwachs von 45 000 auf 55 000 Scientologen in den USA.27 Setzt man diese Zahl in Relation zur Einwohnerzahl, so ergibt sich ein Anteil von 0,018 Prozent an der Gesamtbevölkerung. Dieser Anteil ist zwar immer noch verschwindend gering, liegt aber immerhin dreimal höher als in Deutschland, wo die ca. 6000 Scientologen etwa 0,007 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Dies wirft die abschließende Frage auf, worauf die unterschiedliche Wahrnehmung und der unterschiedliche Umgang mit Scientology in beiden Ländern zurückzuführen ist.

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