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«DIE UNERBITTLICHE LOGIK DIESER ZAHLEN»: BRÜGGER ALS SPEZIALIST FÜR KLIMAFRAGEN

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In seiner Rolle als Auftragsautor für Kurorte profitierte Brügger davon, dass er dank dem schweizerischen Netz breiter anerkannte meteorologische Daten zur Verfügung hatte. Er konnte die klimatische Vorzüglichkeit nun mit den Resultaten der Meteorologischen Zentralanstalt belegen. Der Verweis auf die nationale Institution wirkte als Garantie für die Gültigkeit der Methoden und die Exaktheit der Resultate. Zudem erleichterte das nationale Beobachtungsnetz klimatologische Vergleiche innerhalb der Schweiz. Diese neue Möglichkeit nutzte Brügger 1865, als er seinen Heimatort Churwalden darin unterstützte, sich als Kurort zu vermarkten. Das Dorf mit 600 Einwohnern, acht Kilometer von Chur entfernt und an der Passstrasse zur Lenzerheide gelegen, versuchte sich in den 1860er-Jahren als gesundheitstouristische Destination zu etablieren. Eines der beiden Hotels in Churwalden gehörte einem Verwandten Brüggers, dem Landschreiber Johann Georg Brügger. Für ihn verfasste Brügger einen Prospekt sowie ein Zeitungsinserat mit dem Titel «Alpen-Kurort Churwalden».47 Hauptelement des Werbetextes war eine Tabelle, in der Brügger die Churwaldner Temperaturmessungen denjenigen von neun Schweizer Orten gegenüberstellte.

Nach den Zahlen, die Brügger der offiziellen Publikation der Zentralanstalt entnahm, hatte es in den Monaten Juni, Juli und August 1864 in Churwalden halb so viel geregnet wie in Beatenberg im Berner Oberland, Gewitter waren drei Mal seltener als in Zürich, und die Durchschnittstemperatur war höher als auf dem 200 Meter tiefer gelegenen Chaumont bei Neuenburg. Brügger kommentierte die Vergleichstabelle mit den Worten: «Nichts kann beredter und überzeugender sein, als die unerbittliche Logik dieser Zahlen.»48 Weitere schlagkräftige Argumente für die «Ausnahmsverhältnisse von Churwalden» bot der Genfer Professor Emile Plantamour in einer Analyse der Wintertemperaturen des schweizerischen Netzes.49 Er hatte für verschiedene Höhenlagen einen Durchschnittswert berechnet. Churwalden übertraf diesen Wert um 2,83 Grad Celsius und wies damit die grösste positive Anomalie unter 69 verglichenen Stationen auf.50 Die zweistellige Dezimalzahl 2,83 vermittelte eine Exaktheit, die ein meteorologisches Netz mit menschlichen Beobachtern nicht leisten konnte. Doch Brügger interessierte sich nicht für eine Relativierung der Resultate, sondern nahm die Zahlen als wissenschaftlichen Beweis für die idealen Wetterverhältnisse in Churwalden. Mildes Alpenklima wurde zunehmend als Hauptfaktor zur Wiederherstellung von Gesundheit angesehen. Im starken Konkurrenzkampf unter den Schweizer Kurorten konnte sich Churwalden deshalb als «klimatischer Höhenkurort» positionieren.


Abb. 6: Von 1870 bis 1898 arbeitete Brügger als Lehrer an der Kantonsschule Chur. Auf dem Gebiet der Naturforschung galt er als «der beste Kenner» des Kantons Graubünden. Undatiertes Porträt.

Auch in Tunnelbaufragen brachte Brügger klimatologisches Wissen ins Gespräch. Während der langjährigen Auseinandersetzung um den besten Standort für einen alpenquerenden Tunnel, in der sich am Ende die Befürworter des Gotthardtunnels durchsetzen sollten, versuchte Brügger Anfang 1864, die Vorteile des Lukmaniers darzulegen. Er untersuchte dazu in beiden Regionen die Verbreitung von Pflanzen, woraus er auf die Temperatur- und Niederschlagsverhältnisse schloss. Aus dem Vergleich der Vegetation ging für Brügger hervor, dass der Lukmanier in klimatologischer Hinsicht «von Seite der Natur» eindeutig bevorzugt werde.51 Diese Verbindung von Botanik und Klimatologie war typisch für Brügger. Sein Interesse an Wetterzuständen war aus der Beschäftigung mit der Botanik, seinem lebenslangen Forschungsschwerpunkt, entstanden. Brügger ging davon aus, dass Veränderungen in der Vegetation zu Klimaveränderungen führten und nicht etwa umgekehrt. Die Abholzung im Kanton Graubünden kritisierte er deshalb scharf. Als im Mai 1858 grosse Schneefälle auftraten, stellte er diese in Zusammenhang mit der Entwaldung. Die direkte Ursache des «in seinem Gleichgewicht gestörten, in seinem innersten Triebwerk verletzten, daher unregelmässiger und excessiver gewordenen Klimas» war für ihn die Abholzung der Bergwälder.52 Ob bei Tunnelprojekten oder forstwirtschaftlichen Fragen, Brügger nahm an vielen Diskussionen im Kanton Graubünden aktiv teil. Für ihn waren seine naturwissen schaftlichen Untersuchungen Ausdruck seiner «unauslöschlichen Anhänglichkeit und Begeisterung» für sein «theures Heimathland Graubünden».53

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