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VOM ANFÄNGLICHEN ENTHUSIASMUS ZUM «JOCH» DES TÄGLICHEN BEOBACHTENS

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Um wissenschaftlich anerkannte Klimastatistik zu betreiben, waren ununterbrochene Messreihen elementar. Viele Messnetze des 19. Jahrhunderts scheiterten jedoch an der Unzuverlässigkeit von Beobachtern, die der mühsamen Arbeit überdrüssig geworden waren. Auch für Brügger wurde die Disziplin unter seinen freiwilligen Mitarbeitenden zum Problem.25 Er sah die meteorologischen Beobachter als naturforschendes «Frei-Corps», das im ganzen Kanton wissenschaftlichen Enthusiasmus «ins Feld bestellt» habe, nun aber von den «nahenden feindlichen Geistern der Anergia und Inertia», der Untätigkeit und Trägheit, bedroht werde.26 Jeden Tag frühmorgens und mittags Wetterbeobachtungen präzis zu notieren und bei jeder Abwesenheit einen Stellvertreter zu organisieren, empfanden die meisten Beteiligten als mühsame Tätigkeit. Die einen hielten durch und erfüllten gewissenhaft ihre Verpflichtung, andere brachen ihre Aufzeichnungen aus Zeitmangel oder Motivationsgründen ab. Die Pfarrerstochter Süsette Gyger, die drei Jahre lang als Beobachterin für Brügger gearbeitet hatte, bekundete nach einem Wohnortswechsel, sie sei froh, dass sie das «Joch» der meteorologischen Aufzeichnungen nun habe «abschütteln» können.27 Einige Beobachter begründeten ihren Abbruch der Messungen mit dem Hinweis, dass sie lange Zeit nichts vom «Fortgang der Sache» gehört hätten.28 Der Beobachter in St. Antönien, an der Grenze zu Österreich gelegen, gewann sogar den Eindruck, Brügger interessiere sich «nicht sonderlich» für seine Arbeit.29 Ohne Kapazitäten für eine intensive Betreuung versuchte Brügger seine Mitarbeitenden zu motivieren, indem er die wissenschaftliche Bedeutung ihrer Arbeit unterstrich und eine baldige gesellschaftliche Anerkennung «dieser jüngsten Frucht vom naturwissenschaftlichen Erkenntnisbaume» versprach.30 Bis dahin sollten die Beobachter «unbekümmert um persönliche Vortheile wie um Lob oder Tadel der Menge» ausharren. Zudem stellte Brügger die wissenschaftliche Tätigkeit als patriotischen Dienst am Bündnerland dar, indem er appellierte, «den hohen Idealen von Vaterland und Wissenschaft seine Kräfte zu weihen».31

1859 musste Brügger seinen eigenen «Dienst» am Bündnerland massiv einschränken. Er trat eine Stelle als Konservator der botanischen Sammlungen am Polytechnikum in Zürich an und konnte sich nicht mehr um die Berechnung und Redaktion der Tabellen kümmern.32 Seinen Korrespondenten hatte er zuvor mitgeteilt, dass es ihm nicht gelungen sei, einen Nachfolger zu finden. Er hielt sie dazu an, wie bisher mit den Beobachtungen weiterzufahren und die ausgefüllten Tabellen gut aufzubewahren, damit er sie später einsammeln könne.33 «Wir wollen Halleluja singen, wenn alle ausgestellten meteorologischen Schilderungen bis zu Ihrer Rückkehr auf ihren Posten ausharren», kommentierte Agostino Garbald dazu.34 Brüggers Freund und Beobachter in Castasegna befürchtete, das meteorologische Netz werde ohne Leitung innert kurzer Zeit «zerstäuben». Auch das «Bündner Tagblatt» schätzte die Überlebenschancen des Projekts ohne Brüggers Präsenz gering ein.35 Die Zeitung rief die Naturforschende Gesellschaft Graubündens dazu auf, finanzielle Unterstützung zu leisten. Diesem Aufruf entsprach der Verein insofern, als er 1860 damit begann, Beobachtungstabellen aus dem meteorologischen Netz in seinen Jahresberichten zu publizieren. Diese Rubrik wurde laufend ausgeweitet und umfasste bald mehr als einen Drittel des Inhalts. So erschienen in den Jahresberichten die mehrjährigen Aufzeichnungen von rund 50 Stationen. Fortlaufende Beobachtungsreihen seit 1856 lieferten die wenigsten Stationen, sei es, weil die Beobachter ihre Arbeit abgebrochen hatten, sei es, weil sie die ausgefüllten Tabellen verloren hatten. Ein Oberengadiner Beobachter teilte mit, er habe nicht damit gerechnet, dass seine Aufzeichnungen je veröffentlicht würden, und deshalb seien diese nahezu unleserlich.36

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