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SAMMELN UND FORSCHEN – IMPULSE AUS DEM AUSLAND
ОглавлениеEs war allerdings nicht nur der mangelnde öffentliche Zugang zu naturhistorischen Sammlungen, die der Modernisierung der Naturforschung um 1800 im Weg stand. Es fehlte auch an Ausbildungsmöglichkeiten für angehende Naturforscher. Anders als an anderen grossen akademischen Hochschulen in Europa existierten in der Schweiz bis ins 19. Jahrhundert nämlich noch gar keine naturwissenschaftlichen Fächer oder Lehrstühle, weder an den Akademien in Genf, Lausanne und Bern noch an der Universität Basel.10 Einzig die Botanik war als Teilbereich der Medizin bereits in der wissenschaftlichen Lehre und Forschung vertreten, doch interessierten sich die Ärzte mehr für die Verwendung der Pflanzen als Arzneimittel und weniger für deren Systematik, Physiologie oder Taxonomie. Erst um 1778 lassen sich erste Tendenzen für die Einrichtung naturhistorischer Sammlungen an Schweizer Hochschulen nachweisen. In Basel kaufte die Regierung das umfangreiche Naturalienkabinett von Daniel Bruckner (1707-1781). Ein Argument für den Ankauf war, dass dieses für die Stadt und die Universität einst von grossem Nutzen sein könnte, sollte «mit der Zeit die Naturgeschichte öffentlich gelehrt» werden.11 Die Sammlung wurde in der Öffentlichen Bibliothek eingerichtet, jedoch dauerte es noch mehrere Jahrzehnte, bis sie ihre wissenschaftliche Bestimmung erfüllen sollte. In Genf forderte 1794 Henri Boissier (1766-1845) die Gründung eines Naturalienkabinetts zum Zweck des Unterrichts in Naturgeschichte. Daraufhin genehmigte die Genfer Regierung einen Kredit zur Anschaffung einiger physikalischer Instrumente und der Naturaliensammlung des Apothekers Pierre-François Tingry (1743-1821). Die Professoren machten allerdings nur wenig Gebrauch von den Sammlun gen, und aufgrund ausstehender Zahlungen musste die Sammlung wieder an ihren Besitzer zurückgegeben werden.12 1805 wurde der erste Lehrstuhl für Naturgeschichte an der neu eröffneten Akademie in Bern eingerichtet und mit dem Naturforscher Karl Friedrich Meisner (1765-1825) besetzt.
Der Hauptteil der Naturforschung fand jedoch abseits der Hochschulen statt, in sogenannten Gelehrten Gesellschaften, die in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstanden waren. Hierzu gehören die Physikalische beziehungsweise Naturforschende Gesellschaft in Zürich (gegründet 1746), die Societas Physico-Medica Basiliensis (1751-1787), die Privatgesellschaft naturforschender Freunde in Bern (gegründet 1786) oder die Société des Naturalistes Genevois (gegründet 1791, ab 1799 Société de Physique et d’Histoire Naturelle de Genève). Manche dieser Gesellschaften unterhielten auch eigene Sammlungen und Naturalienkabinette, zu deren Unterbringung sie eigene Räumlichkeiten einrichteten, wie zum Beispiel die Physikalische Gesellschaft in Zürich. Doch auch hier sollte es noch einige Jahre dauern, bis weitere Kreise von den privaten Interessen der Naturforscher und deren Gegenständen profitieren konnten.13 Die politischen Umstände waren dabei nicht gerade günstig. Mit dem Einmarsch der französischen Truppen unter Napoleon im Jahr 1798 gerieten die helvetischen Stadtrepubliken unter die Kontrolle Frankreichs. In den unruhigen Zeiten kamen die Aktivitäten an den Schweizer Hochschulen praktisch zum Erliegen. Wer ein ernsthaftes Studium in Medizin, Naturgeschichte oder Botanik absolvieren wollte und auch über die nötigen finanziellen Mittel verfügte, studierte an einer Universität im Ausland. Besonders hoch angesehen waren die Universitäten in Göttingen, Paris oder Leiden. In diesen modernen Universitäten fand der Unterricht nicht bloss in Hörsälen statt, sondern sie verfügten schon über eigens für die akademische Lehre und Forschung eingerichtete Museen, botanische Gärten und weitere, umfangreiche Sammlungen aus allen Teilgebieten der Naturforschung. Ebenso standen Exkursionen und Forschungsreisen auf dem Lehrplan.14 Die Studenten aus der Schweiz lernten den Vorzug der wissenschaftlichen Sammlungen kennen. Hier sammelte man nicht für den privaten Gebrauch, sondern für den «höheren» Zweck der Wissenschaften. Nach ihrem Studienaufenthalt brachten die Studenten nebst ihrem Wissen auch die Idee einer neuen Art der Ausbildung zurück in die Schweiz.