Читать книгу Die Naturforschenden - Группа авторов - Страница 20
METEOROLOGIE IM DIENST DER TOURISMUSFÖRDERUNG
ОглавлениеWeit mehr Begeisterung als bei Zeitungslesenden riefen die Wetterdaten in der Tourismusbranche hervor. Die Temperatur- und Niederschlagsmessungen ermöglichten es, die Annehmlichkeit des örtlichen Klimas in wissenschaftlicher Manier zu beweisen, und eröffneten somit wirtschaftliches Potenzial. Brügger beschäftigte sich intensiv mit den klimatischen Besonderheiten des Kantons Graubünden. Bereits 1858 entstand eine Zusammenarbeit mit der Heilquellen-Gesellschaft in St. Moritz. Die private Gesellschaft verwaltete die Mineralquellen des aufstrebenden Kurorts. Das lokale Klima hatte jedoch in der «neuesten Touristen-Literatur» einen schlechten Ruf. Zu Unrecht, wie Brügger anhand seiner Messdaten ausführte.19 Brügger erhielt 1860 von der Heilquellen-Gesellschaft den Auftrag, eine kurmedizinische Schrift über St. Moritz mit einem klimatologischen Beitrag zu ergänzen.20 Eine weitere Auftragsarbeit, die mit 275 Franken entlohnt wurde, verfasste er für St. Moritz und Bormio gemeinsam.21 Die Mineralquellen des italienischen Bormio waren seit 1859 in Privatbesitz von Nationalrat Andreas Rudolf von Planta, der gleichzeitig als Präsident der St. Moritzer Heilquellen-Gesellschaft amtierte. Sowohl in St. Moritz als auch in Bormio erfassten die Angestellten der Kuranstalten nach Brüggers Vorgaben täglich meteorologische Daten, die sie ihm regelmässig zur Korrektur und Bearbeitung zusandten. In einem «Werk fuer allerlei Publicum» über die Thermen von Bormio wies Brügger mithilfe dieser Messungen nach, dass die dortigen Temperaturen diejenigen von diversen europäischen Kurorten auf gleicher Meereshöhe übertrafen und es in Bormio verhältnismässig wenig regnete.22 Eduard Killias, der Präsident der Naturforschenden Gesellschaft Graubündens, lobte Brüggers vergleichende Klimatologie als «sehr belehrend».23 Ihm zufolge war es den klimatischen Verhältnissen zu verdanken, dass die Bündner Kurorte «die Koncurrenz mit altberühmten Weltbädern» nicht zu scheuen brauchten.24 Nutzniesser des Gesundheitstourismus und Naturforscher behaupteten gleichermassen einen spezifischen Charakter der Natur in ihrem Kanton. Brüggers datenbasierte Argumentation machte aus der unbewiesenen Behauptung von der klimatischen Vorzüglichkeit Graubündens eine belegte Tatsache.
Abb. 3: Die 1860 veröffentlichte Auftragsarbeit für die Heilquellen-Gesellschaft sollte beweisen, dass das Oberengadin «angenehme Temperaturverhältnisse» wie kein «zweites Land» in Europa auf einer Höhe von rund 1800 Metern über Meer biete. Ansicht von St. Moritz um 1885.