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EIN STRAUSS BLUMEN AUS DER WIESE DES WISSENS

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Die Bibliothek in Lausanne gehörte zur Akademie, der späteren Universität, und war sehr gut bestückt. Royer las sich während rund dreier Jahre systematisch in die wichtigsten sozial- und naturwissenschaftlichen Theorien ihrer Zeit ein. Die Bücher liess sie sich per Post nach Cully schicken. Manchmal legte sie den elf Kilometer langen Weg auch zu Fuss zurück. Was die wissenschaftliche Lektüre für Frauen des 19. Jahrhunderts bedeuten konnte, reflektierte Royer 1859:

«Es gibt mehr als zehntausend Wörter, die Frauen niemals ausgesprochen gehört haben, deren Bedeutung sie nicht kennen. […] Auch ich selber war eine Zeit lang stark eingeschüchtert von der Wissenschaft. Ich fand sie langweilig und fad […] und glaubte, sie sei nutzlos. Es reichten jedoch einige anständig geschriebene Seiten, einige glückliche Erklärungen aus der Feder einiger weise gebildeter Personen, die die Nacht meines Geistes wie ein Blitz erhellten. Da wurde mir gewahr, dass die Männer der Wissenschaft ihr Wissen mit einem Hag voller Dornen umzäunt hatten. Auf der anderen Seite des Zauns ist dieser Garten jedoch voller Blumen. Also entschied ich, ein Loch in diesen Zaun zu hauen oder, falls nötig, über ihn hinüber zu springen.»18

Die Passage stammt aus einer der ersten öffentlichen Vorlesungen, die Clémence Royer ab 1859 in der Akademie in Lausanne für Frauen hielt. In der zitierten Gartenmetapher erklärte Royer ihren Zuhörerinnen: «Ich betrat die Wiese und pflückte einen Blumenstrauss. Diesen Strauss offeriere ich Ihnen heute.»19

Eine von Royers Zuhörerinnen war, wie ihre Biografin Joy Harvey vermutet, Marie Forel, eine gebildete Frau aus der Familie bekannter Westschweizer Naturwissenschaftler. Forel führte einen Salon, in dem die gebildeten Eliten der Stadt verkehrten. Dazu gehörten etliche republikanische Exilanten aus Frankreich, die an der Lausanner Akademie lehrten. Einer davon war der politische Ökonom Pascal Duprat (1815-1885), der Clémence Royers grosse Liebe werden sollte. Duprat war bereits verheiratet, lebte jedoch ab den frühen 1860er-Jahren bis zu seinem Tod 1885 mit Clémence Royer und einem gemeinsamen Sohn in wilder Ehe. Bereits ab 1858 begann Royer in der von Duprat herausgegebenen Zeitschrift «Le Nouvel Economiste» Rezensionen und später Artikel zu schreiben. 1860 schrieb der Kanton Waadt in Zusammenarbeit mit Duprats Zeitschrift einen Preis aus. Zu behandeln war die Frage, wie die Einkommenssteuer reformiert werden könne. Royers Arbeit erhielt den zweiten Preis und wurde als Buch publiziert. Damit wurde Royer international bekannt. Sie erhielt Einladungen zu wissenschaftlichen Konferenzen sowie zu Vorträgen in weiteren Städten in der Schweiz, in Frankreich und in Italien.20

Die Naturforschenden

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