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SCHLUSS
ОглавлениеDamit entpuppt sich Royer als gleichermassen faszinierende und ambivalente Denkerin. Sie schrieb in origineller Weise gegen die naturwissenschaftliche Begründung der Diskriminierung von Frauen an. Anders als spätere Generationen von Feministinnen entlarvte sie angeblich biologische Unterschiede und Hierarchien zwischen den Geschlechtern jedoch nicht als Ausdruck der kulturellen Machtausübung in einer männlich dominierten Gesellschaft. Sie versuchte stattdessen eine alternative, eine feministische Biologie zu entwerfen. Die problematische Kehrseite ihrer Philosophie war der Rassismus, der kein Nebenprodukt, sondern vielmehr konstitutiv für ihren Feminismus war. Ihre Vorstellung von Emanzipation umfasste nicht alle Menschen, sondern primär bürgerliche europäische Frauen wie sie selber. Sie sah die Menschheitsgeschichte als einen Überlebenskampf zwischen der «zivilisierten» europäischen «Rasse» und allen anderen «Rassen». Die Emanzipation der europäischen Frauen stellte für sie eine Notwendigkeit im ureigenen Interesse der «weissen Rasse» dar. Nur mit der Emanzipation der Frauen könne diese ihren Zustand der «Zivilisation» und damit ihre Überlegenheit über alle anderen «Rassen» bewahren. Hierzu müsse jedoch auch gegen Bedrohungen im Inneren vorgegangen werden, gegen die «Schwachen, Kranken, Unheilbaren und Bösartigen», wie sie im Vorwort zu ihrer Darwin-Übersetzung nahelegte.
Royer entwickelte diese Gedanken nicht in isolierter Abgeschlossenheit, sondern im regen Austausch mit Wissenschaftlern aus der Schweiz und dem Ausland. Der Fall beleuchtet damit auch ein Stück Geschichte der intellektuellen und gebildeten Schweiz. Er illustriert, dass Rassentheorien und eugenische Theorien keinesfalls aus dem Ausland in die Schweiz «importiert» wurden, sondern dass die Schweiz als Knotenpunkt innerhalb weitverzweigter wissenschaftlicher Netzwerke selber ein Standort war, wo solche Theorien produziert wurden.