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Eine Gegenüberstellung – Leitsätze der allgemeinen Entwicklungspsychologie und gestalttherapeutische Entwicklungstheorien
ОглавлениеDie leitende Frage im folgenden Kapitel ist, ob die Theorien des Gestaltansatzes in ihrer Konzeption zeitgemäß sind.
Die Abbildung 1 stellt diese Gegenüberstellung komprimiert dar. Im anschließenden Text folgt eine detaillierte Beschreibung der Inhalte.
Abb. 1: Konzepte zur Entwicklungstheorie
Perls’ Konzept des »Hungertriebes« enthält in seinen Annahmen traditionelle Stufentheorien. Die Entwicklung ist auf die Kindheit beschränkt und universell konzipiert. Ein ökologischer Gedanke findet sich im Konzept des »oralen Widerstandes« implizit wieder. Damit es auf den einzelnen Stufen der dentalen Entwicklung zu Störungen kommt, bedarf es Reaktionen und Forderungen aus der Umwelt.
Im Gegensatz dazu enthält das Entwicklungsmodell »Selbst und Kontakt« von F. Perls, R. Hefferline und P. Goodman überwiegend moderne Annahmen. Bis auf den Leitsatz, dass Entwicklung immer Gewinn und Verlust darstellt, stimmt das Modell mit modernen Entwicklungskonzeptionen überein. Ihre Theorie fasst Entwicklung (Wachstum) als differenziell auf und ist mit dem Organismus-Umwelt-Konzept ökologisch orientiert. Eine lebenslange Entwicklung wird ebenso angenommen wie die Eingebettetheit der Entwicklung in einen Kontext. Traditionelle Annahmen enthält es insofern, als dass es von einer Entwicklung in Richtung eines höherwertigen Endzustandes ausgeht.
»Das Reifwerden ist die Entwicklung von der Unterstützung durch die Umwelt zur Unterstützung durch uns selbst (self-support).« (Perls 1992a, S. 93)
Ähnlich verhält es sich mit K. Koffka und K. Lewin. Beide beschreiben ein Modell von Entwicklung, dass durch Differenzialität, Ökologie und Kontextualismus gekennzeichnet ist. Gewinn und Verlust finden sich in ihren Modellen nicht wieder. Bei Lewin finden wir explizite Annahmen über eine lebenslange Entwicklung. Gedanken über Regression im Alter werden nur kurz angerissen.
Auch G. Wheeler, M. McConville und G. Salonia haben in ihren Weiterentwicklungen der gestalttherapeutischen Entwicklungstheorie eine große Schnittmenge mit der modernen Entwicklungspsychologie. Bis auf den Leitgedanken von »Gewinn und Verlust« bei Entwicklungsverläufen lassen sich alle modernen Leitsätze wiederfinden. Salonias Entwicklungskonzeption enthält auch noch Motive der traditionellen Entwicklungspsychologie. Er kehrt in seinem Modell zu traditionellen Stufenmodellen zurück und beschreibt die Kontaktunterbrechungen als entwicklungspsychologische Phänomene, die sich über die ersten drei Lebensjahre stufenförmig entwickeln.
Bei dem Blick auf die Abbildung 1 ist die große Schnittmenge aller gestaltpsychologischen und gestalttherapeutischen Entwicklungstheorien mit den Leitsätzen der modernen Entwicklungspsychologie auffallend. Bis auf wenige traditionelle Motive sind die Theorien des Gestaltansatzes in ihrer Konzeption zeitgemäß.