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1 Professionalität beim Handeln

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1.1 Worum geht es?

Wer ins Flugzeug steigt, um in die Ferien zu fliegen, erwartet und erhofft sich, dass Pilotin und Kopilot nicht nur wissen, wie das Flugzeug zu fliegen ist, sondern dass sie es auch sicher fliegen können. Wenn wir Fremdsprachen lernen, tun wir dies mit dem Ziel, in einer neuen Sprache kommunizieren zu können. Sich bloss mit der Grammatik zu befassen und Vokabeln auswendig zu lernen, wäre unbefriedigend. Ebenso erwarten wir von Ärztinnen und Ärzten, dass sie sicheres und umfangreiches medizinisches Wissen haben, und vor allem, dass sie es nützen können, wenn sie ihre Patientinnen und Patienten behandeln. Sollte dies analog bei Lehrerinnen und Lehrern nicht auch der Fall sein? Und sollten sie ihren Unterricht nicht so gestalten, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur Wissen erwerben, sondern auch Gelegenheit haben, es in neuen Situationen anwenden zu lernen?

Was wir bei jedem der Beispiele erwarten und erwarten können wollen, ist kompetentes Handeln. «Träges Wissen» (Renkl 1996, 78–92), von der Schule vermitteltes Wissen, das sich nicht zur Lösung von (Alltags-)Problemen verwenden lässt (blosse Routinefertigkeiten), befriedigt nicht. Seine Nutzung bleibt auf den Kontext der Schule oder von Prüfungen beschränkt (Brown, Collins u. Duguid 1989). Befunde der kognitionspsychologischen Forschung der letzten dreissig Jahre zeigen, dass Wissen situativ gebunden ist; es ist stets eng gekoppelt an den Kontext bzw. an die Situation, in der es erworben wurde. Seit Mitte der 1980er-Jahre wird dies als «Situiertheit» bezeichnet (situated cognition; z.B. Greeno 1998). Soziale Handlungsmuster, die kulturelle Praxis, der reale Kontext, die konkrete Situation sind immer integraler Bestandteil von dem, was jemand lernt. Aus der Perspektive des Situiertheits-Ansatzes bedeutet Lernen, an kulturellen Praktiken teilzuhaben und sich in soziale Gemeinschaften zu integrieren – sich also zur Mitwirkung und Mitgestaltung zu befähigen. Wissen «netto», abstrakt repräsentiertes Wissen, «träges Wissen» befähigt dazu nicht. Kompetent handeln zu können, erfordert Wissen, das nicht nur tief verstanden wurde, sondern auch genutzt werden kann.

1.2 Orientierung an Kompetenzen

Wie aber steht es mit dem Wissen und dem Können von Lehrpersonen? Welche Kompetenzen müssen sie selbst erwerben, wenn der Unterricht zukünftig kompetenzorientiert gestaltet sein soll? Worauf kommt es an, wenn es das Ziel ist, dass die Schülerinnen und Schüler eine alltagsnahe Aufgabe oder ein neues Problem mithilfe mathematischen oder naturwissenschaftlichen Wissens lösen und einen Text so lesen können, dass sie seine Aussagen verstehen? Wie soll Unterricht gestaltet werden, wenn die Schülerinnen und Schüler innerhalb der Schulfächer mehr als («träges») Wissen (über einzelne Fakten) erwerben müssen und deshalb mehr können, als Fakten abzurufen und beispielweise zu wissen, wann der Zweite Weltkrieg stattfand oder wie viele Einwohner die Schweiz hat?

Was also bedeutet kompetenzorientiert unterrichten, wie es als Folge der Einführung von (auch dem Lehrplan 21 zugrunde liegenden) Bildungsstandards – die Reaktion der Bildungspolitik auf die PISA-Ergebnisse – der Fall sein soll? Was bedeutet Kompetenz, woher stammt dieser seit PISA[19] oft gehörte und heutzutage fast von jedermann verwendete Begriff, der gleichzeitig nicht unumstritten ist? Weiter lässt sich fragen: Welches Verständnis von Lernen und Lehren liegt dem kompetenzorientierten Unterricht zugrunde, und was genau ist am kompetenzorientierten Unterricht anders als am bisherigen? Was also sind seine Merkmale, und wie sollen die Schülerinnen und Schüler in ihm nach dem heutigen kognitiv-(sozial-)konstruktivistischen Verständnis von Lehren und Lernen und damit auch unter Berücksichtigung ihrer Heterogenität lernen können?

Kompetenzorientierter Unterricht auf der Sekundarstufe I

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