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Neue Unterscheidungen

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Noch 1989 fand der amerikanische Politikwissenschaftler Frances Fukuyama (*1952) breite Resonanz mit einem Essay (und dann 1992 mit einem Buch) unter dem auf Hegel und Nietzsche anspielenden Titel The End of History and the Last Man. Darin vertrat er die These, mit dem Ende des Kalten Kriegs und der Kanonisierung des westlichen Typs von Staat und Gesellschaft zur einzig verbleibenden Option sei eine in der Aufklärung einsetzende Bewegung der Geschichte zu ihrem Ende gekommen. Auf Protest stieß Fukuyama allein bei Lesern, die seine historisch spezifisch gemeinte Formulierung vom »Ende der Geschichte« im Sinn eines »Endes der Zeit als Agent jeglicher Veränderung« missverstehen wollten. Denn die Zukunft des Staats als Zukunft einer Ausschließlichkeit der westlichen Staatsform schien zunächst tatsächlich festzustehen – sowohl bei Fukuyama-Fans als auch bei seinen Kritikern.

Bald jedoch setzte sich stattdessen ein markantes Bewusstsein vom Unterschied zwischen zwei Grundtypen des westlichen Staats durch, an die bald jeweils spezifische Krisengefühle und Krisendiskurse anschlossen. Denn vor dem ›eisernen Vorhang‹ des Kalten Kriegs hatte sich (zuerst wohl in Skandinavien und weitgehend unabhängig von den jeweils regierenden Parteien) ein neuer Typ des Sozial- und Wohlfahrtsstaats entwickelt, welcher (anders als der Staatssozialismus) der Öffentlichkeit als Medium politischer Willensbildung eine solide Zentralstellung einräumte. Mit regionalen Varianten begann dieser Staat, eine zuvor unvorstellbare Vielfalt von Dienstleistungen zu übernehmen, die man aufgrund ihres Totalanspruchs der Versorgung kaum als spezifische Funktion identifizieren und umreißen konnte: Sie reichten von persönlicher Sicherheit und präventiver medizinischer Betreuung über Bildung und Forschung bis hin zu Verkehr und Kommunikationsmedien. Zugleich hat sich dieser unaufhaltsam wachsende, überaus großzügige und vor allem in Europa sehr beliebte Sozialstaat jedoch Zurückhaltung im Verhältnis zur Privatsphäre seiner Bürger auferlegt. Wenn vergleichsweise hohe Steuerforderungen (mit anderen Worten: drastische Umverteilungsmaßnahmen durch den Staat) schon unvermeidlich waren, so bleiben Verpflichtungen im Militärdienst und andere auferlegte Solidaritätsbeiträge eher begrenzt. Selbst Begeisterung für das eigene Gemeinwesen wirkt heute in Europa wie ein problematisches Relikt aus nationalistischen Zeiten. So steil stieg die Erfolgskurve des sozialdemokratistischen (›sozialdemokratistisch‹ deshalb, weil sich dieser Konsens weit über die sozialdemokratischen Parteien hinaus etablierte) Wohlfahrtsstaats, dass sie den Entwurf eines Über-Staats inspirierte, der bald als ›Europäische Union‹ Gestalt annahm.

Ganz anders versteht sich der nicht nur außerhalb der Vereinigten Staaten primär mit der Hauptstadt Washington, dem Weißen Haus und dem Präsidenten identifizierte amerikanische Staat, der (zumal in der Epoche des Kalten Krieges) vor allem als institutioneller Rahmen einer aktiv handelnden Weltmacht hervorgetreten war. Seine innenpolitischen Wirkungen und Vorgaben gehen nur selten über die Bewahrung der Rechtsstaatlichkeit hinaus, während kulturpolitische Initiativen aufgrund des zehnten Zusatzes zur amerikanischen Verfassung (Tenth Amendment) den 50 Bundesstaaten überlassen bleiben. Auch Funktionen, die man in Europa unter dem Begriff der Sozialpolitik zusammenfasst, gehören in den Vereinigten Staaten bis heute zu einem Verantwortungsbereich, auf den sich durch private Spenden getragene Einrichtungen konzentrieren, ohne dabei den national existierenden Bedarf auch nur annähernd abzudecken. Andererseits erscheinen in dem vor allem durch seine außenpolitischen Funktionen bestimmten amerikanischen Staat gewisse Institutionsbereiche (etwa das Militär) und bestimmte symbolische Handlungen (etwa der Gruß der Flagge oder das Singen der Nationalhymne) viel deutlicher ausgeprägt als in Europa.

Zukunft des Staates – Staat der Zukunft

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