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Tiefer Einschnitt in der Geschichte des Staates

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Das Neue an der gegenwärtigen Situation ist, dass sich die Identität von öffentlicher Gewalt und Staatsgewalt aufgelöst hat. Die Veränderung setzte mit der Gründung der Vereinten Nationen am Ende des Zweiten Weltkriegs ein. Anders als der nach dem Ersten Weltkrieg gegründete Völkerbund, dessen Mitglieder Gewaltverzicht gelobt, aber keine Durchsetzungsinstanz vorgesehen hatten, erhielt die UNO von ihren Mitgliedstaaten die Befugnis, den Gewaltverzicht gegen widerstrebende Staaten durchzusetzen. Notfalls mit militärischen Mitteln, die sie sich dann aber von den Staaten borgen muss. Denn bis jetzt ist kein Staat dazu bereit, überstaatliche Einrichtungen auch am Gewaltmonopol teilhaben zu lassen.

Der Staat hat also, was die öffentliche Gewalt betrifft, Konkurrenz bekommen. Er teilt sie sich heute mit überstaatlichen Einrichtungen, deren Entstehungsgrund gerade die gesteigerte Kriegsbedrohung durch neue Vernichtungswaffen war. Das ist vielleicht der schärfste Einschnitt in der Geschichte des modernen Staates, freilich immer noch kein Todesstoß, denn die Staaten existieren weiter und haben sich seitdem an Zahl sogar enorm vermehrt. Aber sie sind heute nicht mehr in der Weise souverän, wie sie es noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sein konnten. Zwar behalten die Grenzen ihre alte Bedeutung im Verhältnis der Staaten untereinander. Gegenüber der öffentlichen Gewalt, die an die UNO abgetreten wurde, sind sie aber porös geworden.

Die Entwicklung ist inzwischen weiter fortgeschritten. Im Völkerrecht gibt es einen wachsenden Anteil von Normen, die unabhängig von der Zustimmung der Staaten gelten. Der internationale Menschenrechtsschutz ist stark in den Vordergrund getreten. Mittlerweile wird eine »responsibility to protect« anerkannt, die die UNO dann zum Einschreiten ermächtigt, wenn Staaten die Menschenrechte bestimmter Volksgruppen oder Minderheiten systematisch verletzen. Die Zahl internationaler Gerichte oder gerichtsähnlicher Institutionen, die in internationalen Streitigkeiten entscheiden oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahnden, hat stark zugenommen. Regionale Menschenrechtspakte mit entsprechenden Gerichten vervollständigen das Bild.

Zukunft des Staates – Staat der Zukunft

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