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|92|2. Monotheismus und Christologie
ОглавлениеDass Paulus Jesus Sohn Gottes und Kyrios nennen kann, ja, einmal sogar Gott (Röm 9,5),[24] stellt keine Gefährdung seines Grundbekenntnisses zu dem einen Gott Israels dar.[25] Vielmehr schlägt sich hierin die für die früheste christologische Bekenntnisbildung insgesamt maßgebliche Bindung an das frühjüdische Gottesverständnis nieder. Das Bekenntnis zu Jesus als dem endzeitlichen Repräsentanten und Bevollmächtigten Gottes entwickelte sich im Rahmen frühjüdischer Glaubensüberlieferungen[26] geradezu »explosionsartig«[27] aus der Wahrnehmung des »Jesus-Phänomens«, des Geschehenszusammenhangs von Wirken, Todesgeschick und Auferweckung Jesu.[28] Im Frühjudentum vielfältig ausgeprägte Vorstellungen über Gott und seine himmlisch-transzendente Welt im Zusammenhang von Angelologie, Messianologie, Endzeit- und Gerichtsvorstellungen, im Rahmen von |93|Weisheitsspekulationen oder in verschiedenen Formen der Verehrung des Namens Gottes[29] wurden schon in den frühesten christlichen Gruppen mit Zentralaussagen über Jesus verbunden, dem Bekenntnis zu seiner Auferweckung, soteriologischen Deutungen seines Sterbens, Geisterfahrungen in den Missionsgemeinden oder auch der Beauftragung zur Völkermission. Auch hier prägte letztlich das Wissen um Jesus die »Leserichtung« der Bekenntnisaussagen: seine Herkunft aus Israel, sein Wirken als Jude, sein Geschick in Jerusalem. Was von Jesus bekannt war, bestimmte, in welchem Sinne er als endzeitlicher Repräsentant Gottes, als Messias Israels zu verstehen war.
Offensichtlich gehörte also das Wissen darum, dass Jesus als Jude und im Verstehensrahmen des jüdischen Glaubens gewirkt hat, zu den fundamentalen Voraussetzungen der nachösterlichen Bekenntnisbildung. Bei der Entfaltung christologischer Aussagen in allen neutestamentlichen Schriften bis hin zur Johannes-Offenbarung wurde geradezu peinlich darauf geachtet, das Bekenntnis zu dem einen Gott Israels nicht durch das Bekenntnis zu Jesus, dem Christus und Sohn Gottes, zu gefährden.[30] In einem chronologisch äußerst knapp bemessenen Zeitraum kam es dabei vor, neben und durch Paulus zu kreativen Neubildungen von Vorstellungen, Aussagen und Lebensformen frühchristlicher Gruppen, die zwar in einem durchweg frühjüdisch geprägten und bestimmten Milieu entstanden, aber aufgrund ihrer Bindung an das »Jesus-Phänomen« bereits den Keim zur Herausbildung einer eigenständigen »christlichen« Gruppenidentität in sich trugen. Bemerkenswerterweise blieb dabei selbst in frühchristlichen Strömungen wie der paulinischen, wo gezielt und programmatisch die Grenze hin zu den Völkern überschritten wurde, im Gottesverständnis die Bindung an den Glauben Israels erhalten.[31] Dass dies keineswegs selbstverständlich war, zeigen Entwicklungen in anderen Gruppierungen, die erst im Ergebnis überaus komplexer Prozesse im Laufe und bis zum Ende des 2. Jh. aus dem Hauptstrom der frühchristlichen Bewegung ausgegrenzt und in der Folge zu Häretikern |94|erklärt wurden.[32] Man wird mit guten Gründen annehmen können, dass im Rahmen der kirchlichen Lehrentwicklung die Festlegung auf das Gottesverständnis Israels im Zusammenhang der paulinischen Christologie erheblich zu diesem Ergebnis beigetragen hat.[33]