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2. Glaubensbekenntnis und Gesetzlichkeit
ОглавлениеSystematischen Theologen ist die Beobachtung, dass der Glaube sich auf Personen richtet, wichtig, weil sie einem gesetzlichen Verständnis des Glaubensbekenntnisses entgegensteht. Gerhard Ebeling spricht dieses Problem wie folgt an: »Der Glaube an Jesus Christus entfaltet sich in einer Vielzahl von Aussagen. Das bringt ihn in den Geruch religiöser Gesetzlichkeit.«[7] Die Annahme aller einzelnen, vielleicht noch zerstückelten Glaubensaussagen wird zum frommen Werk. Je absurder oder schwerer verständlich die Aussage – von der |105|Jungfrauengeburt bis zur Himmel- und Höllenfahrt – umso größer ist die Leistung, die der »Glaubende« erbringen muss. Umso mehr wird das Glaubensbekenntnis Instrument der Werkgerechtigkeit und damit des Unglaubens. Man kann nach Ebeling dieser Gesetzlichkeit dadurch entgehen, dass man die christologischen Aussagen, auch in ihrer Fülle nicht als Glaubenspflicht, sondern als Ausdruck der unerschöpflichen Liebe Gottes versteht.[8] »Das ist gewissermaßen der Schlüssel zu allen christologischen Schlössern.«[9] Die beschreibenden Kennzeichnungen Jesu Christi, die wir in den Glaubensaussagen des Apostolikums vorliegen haben, sind in gewisser Weise sogar überflüssig, redundant. Im Grunde ist alles bereits im Glauben an Jesus Christus enthalten. Selbstverständlich ist Jesus Christus für jeden, der das Neue Testament kennt, derjenige über den das alles ausgesagt werden kann. Es ist ähnlich selbstverständlich für den Kenner, wie es für den Kenner nichts hinzufügt, wenn ich statt: »Ich beziehe mich auf Martin Luther«, sage: »Ich beziehe mich auf Martin Luther, den Reformator, der in Eisleben geboren ist, der in Leipzig an einer Disputation teilgenommen hat, der in Wittenberg Professor war und der in Eisleben gestorben ist.« Die Auswahl von Aussagen, die das Glaubensbekenntnis macht, scheint mir nicht darauf zu zielen, Jesus Christus besser zu identifizieren, sie hat offensichtlich auch nicht das Ziel, Vollständigkeit zu erreichen. Sehr wichtige Elemente des Lebens und der Lehre Jesu fehlen, etwa seine Beziehung zu Johannes dem Täufer, seine Predigt vom Reich Gottes, die Wunder, seine Ethik, seine Gleichnisse, die Einsetzung des Abendmahls auch die Heilsbedeutung seines Todes. Die Auswahlkriterien sind offenbar auch nicht allein zeitgenössische theologische Debatten, über das Leiden unter Pontius Pilatus sind keine solchen Debatten in der Alten Kirche bekannt. Damit wird die Frage spannend: Welches sind die Auswahlkriterien? Der Text des zweiten Artikels des Apostolikums verbindet, so meine Interpretation, die universale Bedeutung Jesu Christi mit absolut konkreten, individuellen Aussagen. Die individuellen Aussagen sind: der Name »Jesus«, er ist der »einziggeborene Sohn«, die Mutter »Maria«, »gelitten unter Pontius Pilatus«, »am dritten Tag« auferstanden. Die Universalität wird transversal als eine alle Bereiche des Seins durchlebende Geschichte erzählt: Im Nizänum noch klarer beginnt die Geburt aus Gott, dann das Erdenleben bis hin zum Tod |106|am Kreuz und zum Grab, dann tiefer noch bis in das Reich des Todes, durch die Auferstehung und die Himmelfahrt dann wieder zurück zu Gott. Die Auswahlkriterien des Apostolikums entsprechen ziemlich genau der christologischen Formel von Paul Tillich, die christliche Theologie habe in Jesus Christus eine Grundlage, die vollkommen konkret und absolut universal zugleich sei.[10]