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4. Christus als »Diener der Beschneidung« (Röm 15,8)

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In Röm 14,1–15,13 wendet Paulus in einem paränetisch akzentuierten Argumentationsgang das christologische Grundmotiv von Jesus als Israelit auf die römische Gemeindesituation an. Die Auseinandersetzungen innerhalb der römischen (Haus-)Gemeinden, auf die Paulus hier Bezug nimmt, lassen sich am besten unter den Annahme verständlich machen, dass Formen jüdischer religiöser Praxis bei Nichtjuden auf Geringschätzung trafen.[49] Demgegenüber hat nach |99|Paulus die Bereitschaft, einander anzunehmen, darin ihren Grund, dass Christus beide, also Juden wie Nichtjuden in der Gemeinde, schon angenommen hat.[50] Diesen Vorgang der Annahme aller durch Christus begründet und entfaltet Paulus anschließend in doppelter Richtung: »Christus ist zum Diener der Beschneidung geworden aufgrund der göttlichen Wahrheit, um die Verheißungen an die Väter festzumachen, während die Völker Gott für sein Erbarmen preisen sollen«.[51] Die beiden Infinitive in der Aussage benennen jeweils das Ziel des Christusdienstes: Die Verheißungen an die Väter sollen bestätigt werden (βεβαιῶσαι),[52] und die Völker sollen Gott loben (δοξάσαι). Das Christusgeschehen zielt also auch hier auf Israel und die Völker gemeinsam, wenn auch mit je unterschiedlicher Akzentuierung: Es ist Bestätigung der biblischen Verheißungen Gottes für sein Volk Israel und Erfüllung der endzeitlichen Hoffnungen für die Völker.

Paulus kreiert dazu aus verschiedenen Schriftstellen nach den Regeln zeitgenössischer exegetischer Kunst eine Art Cento, in dem sich Israel und die Völker zum hymnischen Lobpreis Gottes vereinen (15,9–13).[53] Während die Verheißungen für Israel bei den Erzvätern verankert sind,[54] wurzelt die Heilshoffnung für die Völker in |100|prophetischen Ausblicken auf die Endzeit. Nach biblischem Zeugnis wird Gott am Ende der Zeit ganz Israel auf dem Zion versammeln, zusammen mit allen Völkern, und die nach dem endzeitlichen Kampf JHWHs gegen die Feinde Jerusalems Übriggebliebenen aus den Völkern werden hinaufziehen, um im Tempel JHWH anzubeten und mit Israel gemeinsam das Laubhüttenfest zu feiern.[55] Gegenüber den ursprünglichen Aussagezusammenhängen der Schriftzitate akzentuiert Paulus dabei besonders die positive Heilshoffnung für die Völker, ohne dadurch aber die Heilszusagen für Israel abzuschwächen.

Auch im Blick auf diese doppelte Zielrichtung des Christusdienstes kann Paulus seinen eigenen Dienst und sein Missionswerk in Strukturanalogie zum Dienst Christi interpretieren.[56] Als »Diener Christi Jesu« (λειτουργὸς Χριστοῦ Ἰησοῦ) weiß er sich zu den Völkern gesandt, aber zugleich richtet er seine Pläne daran aus, »den Heiligen in Jerusalem zu dienen«.[57] Die gegenseitige Annahme in der Gemeinde nach dem Vorbild Christi beschränkt sich also nicht auf die »innerrömischen« Verhältnisse, sondern der Dienst Christi an Israel und den Völkern wird nach Paulus zum Maßstab und zur Basis für die Einheit der Kirche Jesu Christi.

Die Bezeichnung Jesu als »Diener der Beschneidung« (διάκονος […] περιτομῆς) hat zwar keinen Eingang in die frühchristliche Bekenntnisbildung gefunden. Sie enthält gleichwohl ein wesentliches Element paulinischer Christologie. In ihr zeigt sich die Bindung des Heilshandelns Gottes in Jesus Christus an den Messias aus Israel, der selbst |101|Israelit war und dessen Dienst auf Israel und die Völker ausgerichtet ist. Der Sache nach ergeben sich daraus Bezüge auch zu den paulinischen Argumentationen im Galaterbrief und im Römerbrief über die Rechtfertigung nicht aus Werken des Gesetzes, sondern aus Glauben an Jesus Christus. Demnach ist Christus nicht »Diener der Sünde« geworden,[58] sondern »Diener der Beschneidung« und »Hoffnung für die Völker«.[59] Daher erlangen im Christusgeschehen Juden wie Nichtjuden endzeitliche Rettung.[60]

Die Rede von Jesus Christus als Glaubensaussage

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