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3.1.3. Zeitliche Einordnung
ОглавлениеEine Antwort auf die Frage, in welcher Lebensphase Hartmann seine Minnelieder (und Kreuzlieder) gedichtet hat, dürfte kaum zu finden sein, hängt sie doch von zwei miteinander verbundenen Vorannahmen ab: Ist das Lied XVII (MF 218,5), das zum KreuzzugKreuzzug / -sthema aufruft, MinnesangHartmanns letztes Wort in weltlichen Minneangelegenheiten oder konnte er danach zur Klage über abgewiesenen Minnedienst oder zum Freudenlied zurückkehren? Und: wann rief er zum Kreuzzug auf? Die erste Frage wird gern, auch vor der Nachwirkung der Zyklustheorie, in der Weise beantwortet, dass Lied XVII der lyrische Schlusspunkt in Hartmanns Werk sei. Aber können wir uns dessen gewiss sein? Eine Antwort auf die zweite Frage, die vielleicht in der Hartmann-Forschung am häufigsten behandelte (Reusner 1985:151–153 mit älterer Literatur, Mertens 1978c, Nellmann 1987, Urbanek 1992, Ortmann 1996), hängt davon ab, wie man den Vers und lebte mîn her Salatîn und al sîn her / dien braehten mich von Vranken niemer einen vuoz (MF 218,19.) versteht. Folgt man Mertens mit seiner den gelegentlich ironischen Ton Hartmanns aufgreifenden Übersetzung („und wenn auch Monsieur Saladin noch lebte und sein ganzes Heer – die brächten mich keinen Schritt aus Frankistan fort“, Mertens 1978c:327), dann kann nur, da SaladinSalahaddin Yusufs ibn Ayyub (Saladin) 1193 starb, der Kreuzzug Kaiser Heinrichs von 1197Heinrich VI. (Kaiser) gemeint sein etwa im Sinne von: ‚Nicht Saladin, sondern nur die Liebe Gottes kann mich bewegen, auf den Kreuzzug zu gehen.‘ Da Hartmann in Lied V den Tod seines Herren erwähnt (MF 210,23f.), schlug Hermann Paul vor, auch hier vom Tod des Herren auszugehen und ‚erfand‘ damit das ‚Komma-Problem‘: und lebte mîn herre, Salatîn … (‚Wenn mein Herr noch lebte, dann würden selbst Saladin und sein Heer mich nicht …‘). Damit war die Möglichkeit geschaffen, von dem früheren Kreuzzug BarbarossasFriedrich I. Barbarossa von 1189 auszugehen. Abgesehen davon, dass der Gedanke nicht recht in die Logik des Liedes passt (Salmon 1971:821, Johnson 1999:142) und man sich fragt, wie ein Hörer ein für das Verständnis unerlässliches Komma hören kann, gilt hier auch der gekürzte Konjunktiv lebt(e) als Problem. In der Folge wurden mehrere weitere Konjekturen vorgeschlagen, von denen keine allgemeine Zustimmung fand (zusammengestellt bei Reusner 1985:157f.)
Auch die immer wieder beobachteten Parallelen zu anderen Werken Hartmanns helfen bei der Frage nach der zeitlichen Einordnung nicht recht weiter. Chronologie Mehrfach wurde Minnesangeinerseits auf wörtliche Übereinstimmungen zum wohl letzten Werk Hartmanns, dem ‚Iwein‘, hingewiesen. So zitiert Lied I, Str. 5,9 (MF 206,9) offenbar wörtlich den ‚Iwein‘-Vers 3224, wie man überhaupt dieses Lied als eine lyrische Paraphrase des ganzen Romans verstanden wissen wollte (Seiffert 1968, Salmon 1971). Weitere offenkundige Parallelen zum ‚Iwein‘ wurden für andere Lieder beigebracht. Anderseits berührt sich Lied IX (MF 212,37) mehrfach offenkundig mit der – ohne dass sich dies sichern ließe – als Frühwerk geltenden ‚Klage‘ (vgl. Reusner 1985:128, Cormeau/Störmer 32007:98), wobei die Parallelen bis ins Formale hinein gehen: Die Reimpaare des Abgesanges hat man als Vagantenzeile interpretiert und mit der Form des Schlussgedichtes der ‚Klage‘ in Verbindung gebracht (Kraus 1939:466, Kasten 1995:730f. mit weiterer Literatur, vgl. auch → Kap. 4.). – Lied III (MF 207,11) muss nach Lied II (MF 206,19) entstanden sein, weil es dieses zitiert.