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3.1.4. Gattungen / Thematische Schwerpunkte

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Von den 18 in den Handschriften Hartmann zugewiesenen Liedern thematisieren 15 das Thema ‚Minne‘ aus unterschiedlicher Perspektive. Sechs davon kann man als Werbelieder zusammenstellen, die den Misserfolg des Sprechers bei der geliebten Dame beklagen (I, II, III, IV, VII, XVIII), fünf haben einen deutlich hoffnungsvolleren Ton (VIII, X, XI, XII, XIII), drei Lieder sind aus der (Rollen-)Perspektive einer Frau gesprochen (Frauenlieder: IX, XIV, XVI), eines, das ‚Unmutslied‘, greift mit der Absage an die Geliebte den später vielfach behandelten ‚wîp-frouwe‘–Gegensatz auf (XV), drei Lieder werden den Kreuzliedern zugerechnet, in denen das Verhältnis von Geschlechter- und Gottesliebe diskutiert wird (V, VI, XVII).

Die Klage über den versûmten (‚vergeudeten‘) Dienst an der Dame wird in Lied I (MF 205,1) zunächst jahreszeitlich eingekleidet: auch der Gesang trägt des winters wâpen (1,3 = MF 205,3). Str. 2 bringt dann zwei Motive ins Spiel, die auch sonst begegnen: das der Selbstanklage wegen mangelnder staete (MF 205, 16) – Cormeau hat von Hartmanns „rigorose[m] ethischen Realismus“ (1981:505) gesprochen – und das eines gegen die Gebote der Klugheit handelnden Ich, das sich so selbst zum Feind wird (vgl. HaKl 1453). Str. 3 (MF 206,14) bringt dann das für ein Minnelied singuläre und überraschende Moment vom Tod des Herren (der 1186 gestorbene Zähringer Berthold IV.Berthold IV. von Zähringen?), das genau in der Mitte des Liedes steht, wenn man Brackert (1969:177) folgt. Was die beiden Themen – die Absage der Dame, der das Ich seit Kindertagen gedient hat, und der Tod des Dienstherrn – miteinander verbindet, ist unklar: Gibt es in dieser Welt keine MinnesangBeständigkeit? Zeigt der Minnesang angesichts existentieller Bedrohung seinen Spielcharakter? In Str. 4 und 5 werden Motive aus 1 und 2 abwandelnd aufgegriffen: Die Dame hat das Ich aufgrund ihrer Klugheit (ir wîsheit MF 206,4) verstoßen, weil er unzuverlässig (wandelbaere[], MF 206,3) war (Wenzel 2013). – Lied II (MF 206,19), das als konventionell gescholten wurde (Reusner 1985:103), hat allerdings den radikalen, auf Lied XV (MF 216,29) vorausverweisenden Gedanken, dass, wenn das Ich sagen dürfte, was es möchte, es nicht mehr singen müsste (Str. 2). Auf diese Weise wird auch das allgemeinere Thema des Singens im Kontext höfischer Geselligkeit angesprochen. – In Lied III (MF 207,11) schwankt das Ich zwischen der radikalen Absicht, der Dame nach langem Dienst diesen, der nicht belohnt wird, aufzukündigen und der Frage an sich selbst, warum es nur haz findet, wo es minne (MF 208,15) gesucht hat. Kann, so die hier und immer wieder dialektisch angelegte und offen gelassene Frage, ein Hoffen, das keine Erfüllung bringen wird, eigentlich glücklich machen? Hartmann hat darauf ganz unterschiedliche Antworten gegeben. – Die Gegnerschaft von Kaiser und Reich wäre leichter abzuwehren als die der Dame (Lied IV = MF 209,5). – Bei Lied VII (MF 211,27) schwanken die Urteile erheblich: Man hat es für unecht gehalten, die Einheit bestritten und es zudem selbstquälerisch oder komisch gefunden (Reusner 1985:119f.). Die erste Strophe stellt die Maxime auf, dass nach Leid stets Glück folgen wird, die zweite Strophe berichtet, dass das Ich auf Grund seiner unstaetekeit (MF 211,37) verlassen worden sei, die dritte erzählt, dass das Ich nun eine staete (neue) Dame gefunden habe, die das Ich zur eigenen staete (MF 212,12) motivieren werde. Aus dem Blick zurück gesehen, kann also, und auch damit unterläuft Hartmann Grundsätze des Minnesangs, auch eine Unbeständigkeit ins Glück führen. – Auch Lied XVIII ‚entblößt‘ im Grunde die Spielregeln des Minnesanges: ‚Meine Dame will nicht, daz ich ir gelige bî (4,2), will aber trotzdem nicht auf mich und meinen Dienst verzichten. Dann sollte sie wenigstens verlässlich bleiben in ihrer Absicht, meinen Dienst zu belohnen‘. Bewusst offen bleibt, wie dieser Lohn aussehen könnte.

Mit Lied VIII (212,13) beginnt eine Reihe von Liedern, die die Bedingungen einer glücklichen Minnebeziehung diskutieren (Reusner 1984:17–20), eingewoben in diese Diskussion ist mehrfach der Gegensatz von Nähe und Ferne. In VIII selbst, das in ein hübsches Wortspiel ausläuft, wird der etwas eigenwillige Gedanke formuliert, dass es dann nicht schwerfalle, beständig zu sein, wenn die Geliebten Minnesangsich dauernd sehen. Wahre Liebe zeige sich in der auch während der Zeit der Trennung von beiden Partnern bewiesenen staete (MF 212,33). – In X (MF 213,29) sagt das Ich seiner Dame, die er nur selten sieht, trotz allem die eigene Beständigkeit zu. – Lied XI (MF 214,12), das man sogar vereinzelt zu den Kreuzliedern gestellt hat (Reusner 1985:175), könnte man als ‚Abschiedslied‘ bezeichnen: das staete Ich, dass in der ersten Strophe den ‚klugen‘ Rat gibt, für den Fall eines Abschiedes besser nicht zu lieben, leidet selbst in der Situation der Trennung im Gedanken an diejenige, diu mîn schône pflac (MF 214,33). – Lied XII (MF 214,34) beginnt mit einer Minneversicherung eines Boten, dem die Dame entgegnet, dass der Ritter lieber anderswo dienen solle, sie könne oder wolle ihn nicht belohnen. In Strophe 3 repliziert das Ich so trotzig wie verzweifelt, dass es vom Dienen nicht ablassen könne: diu grôze liebe hât sô vaste zuo genomen, / daz si mich nien lâzet vrî (3,6f.). Strophe 4 und 5, die Hartmann abgesprochen wurden, variieren das Thema von Dienen und Hoffen, in der sich wahre Minne zeige und die von Unminne radikal unterschieden sei. – Lied XIII (MF 215,14), das man wegen seines fröhlichen Tons angesichts eines rekonstruierten (!) Minneromans, der in die Absage an die weltliche Liebe auslaufe, ohne Grund an den Anfang von Hartmanns Minnesang gestellt hat, greift wiederum das Thema der Klugheit auf, die der Dame zugebilligt wird. Strophe 3 erzählt eine kleine, spannungsreiche Geschichte: Bei einem Abschied scheint das Ich stumm geblieben zu sein, später, nach der Rückkehr, fand er die Dame âne huote (MF 215,25) und konnte ihr seinen Willen kundtun, auf den sie in einer Weise reagierte, daz irs got iemer lône (MF 215,28). Open end!

Ausgesprochen witzig beginnt das Frauenlied IX (MF 212,37): ‚Brächten Lügen Menschen in den Himmel, dann wäre derjenige, der mich betrogen hat, ein Heiliger. Seine falschen Worte sind so verführerisch, dass man sie eigentlich aufschreiben möchte. Aber ich bin selber schuld, weil ich mein Herz und meinen Verstand (sin) nicht befragt habe‘. In der dritten Strophe vergleicht sich die Dame mit einer, die klüger war und deshalb nicht leiden muss. Mehrfach ist das Lied mit der ‚Klage‘ (ab HaKl 217) und dem ‚Iwein‘ (Laudine) verglichen worden (Nachweise bei Reusner 1985:128–130). – Vollkommen aus dem Rahmen des Üblichen fällt Lied XIV (MF 216,1), das in der älteren Literatur gern getadelt oder gleich für unecht gehalten wurde (Reusner 1985:139f.). In ihm überlegt eine Dame, wie sie es anstellen könne, dass der Geliebte auch im Winter in ihren Armen liege. Die Familie habe sie (Str. 2) vor die Alternative gestellt: entweder Verzicht auf den Geliebten oder auf die Familie. In Strophe 3 undMinnesang 4 hält sich die Frau für undankbar, wenn sie dem Mann den Dienst nicht lohnt, auch wenn Gefahr droht. Aber zum Glück ist der Geliebte bescheiden (MF 216,26), also so klug wie diskret, zwei Eigenschaften, die bei Hartmann stets Voraussetzungen fürs Gelingen sind. – Lied XVI (MF 217,14) ist neben XVII (MF 218,5) eines der in der Forschung am häufigsten behandelten Lieder: echt oder unecht, vor oder nach Reinmars Witwenklage (MF 167,31), Witwenklage oder Klage über die Kreuznahme des Mannes sind dabei die zentralen Fragen. Die Echtheit wird heute kaum mehr bestritten, dass Hartmann der Gebende gegenüber Reinmar ist,EchtheitsdiskussionReinmar der Alte gilt als gesichert, die dritte Frage bleibt kontrovers, obwohl viele Autoren dazu neigen, in XVI eine Witwenklage zu sehen (Reusner 1985:146–148). Die Frau klagt in Strophe 1, dass sie einen (ihren) geliebten Mann verloren habe (MF 217,19), um den sich nun Gott kümmern möge; er ist ihr, so Strophe 2, ‚plötzlich‘ (gaehes MF 217,28) entrissen worden. In Strophe 3 blickt die Dame auf ein trauriges Altwerden voraus (im Gegensatz zu denjenigen Frauen, die sich der Liebe enthalten haben). Gerade die Tatsache, dass das Lied keinerlei Zuversicht auf ein mögliches Wiedersehen kennt, dass die Trauer plötzlich kam und zudem andauern wird, sprechen eher für eine Witwenklage, auch wenn das Wort tôt nicht begegnet.

Völlig singulär im Kontext des hohen Minnesangs ist Lied XV (MF 216,29), selbst wenn Walther von der VogelweideWalther von der Vogelweide später den Gegensatz von vrouwe und wîp aufgreifen wird. Was bei Walther dialektisch entfaltet wird, gestaltet Hartmann dichotomisch (Seiffert 1982:86f.), übrigens auch auf der Seite der Männer. Die einen wollen zu den ritterlîche[n] vrouwen (MF 216,32), der andere, Hartmann, der sich selbst so anreden lässt (Lange 2016), zu den armen wîben (MF 217,1), wo aller Gegensatz aufgehoben ist: als sî mir sint, als bin ich in (MF 216,38). Und wie der Hartmann-Erzähler des ‚Iwein‘, wenn er nichts Besseres zu tun hat, seine Zeit mit Dichten hinbringt (HaIw 23–25), so das Hartmann-Ich von Lied XV seine mit einer (nicht mit allen!), diu mich dâ wil (MF 217,3). Diese Einstellung resultiert aus einer Erfahrung, die in Strophe 3 nachträglich – dem Publikum oder den anderen Männern? – mitgeteilt wird. Nicht nur inhaltlich, sondern auch formal bricht das Lied mit den Konventionen: Der Aufgesang ist mit 4a 4a 3b- 3b- unstollig. Sollte schon die Form anzeigen, dass das Lied mit dem Werbelied und seinen ‚Gesetzen‘ bricht?

Ob Hartmann auf einem KreuzzugKreuzzug / -sthema war, wissen wir nicht. Nachgewiesen ist dies nur bei Friedrich von HausenFriedrich von Hausen und Otto von BotenlaubenOtto von Botenlauben. In Lied V (MF 209,25) wird der ‚ganze‘ Mensch verlangt: Es nützt nichts, das Kreuz zu tragen, aber im Herzen andere weltliche Dinge zu bewegen (Str. 1, MF 209,33–361,9–12). Strophe 3 bringt das conversio-Motiv ins Spiel: ‚Ich bin lange der Dirne MinnesangFrau Welt hinterhergelaufen, nun aber auf dem Weg der Umkehr‘. Dazu hat auch die Erfahrung des Todes beigetragen: Der Dienstherr des Ich ist gestorben, ihm soll die Hälfte des Verdienstes im Himmel zugutekommen (MF 210,31–34). Im Rückverweis auf die Blumen des Minnesangs, der als weltlicher Liebesdienst auf der Textoberfläche einerseits überwunden zu sein scheint, aber anderseits als lyrische Sprechweise erhalten bleibt und mit der religiösen Rede verschränkt wird (Ortmann 1996:82, Reichlin 2014:185), wählt sich das Ich nun die Kristes bluomen (MF 210,37 ‚Kreuzzeichen‘, Reusner 1985:16f., Brackert 1983:20, Reichlin 2014:180), die ihn in den zehnten Himmelschor führen mögen. Das ganze Lied ist gewissermaßen auf die Grenze zwischen Früher und Jetzt, zwischen Welt und Himmel, zwischen zu Hause und der Ferne des Kreuzzugs gestellt. – Das einstrophige Lied VI (MF 211,20) greift den Gedanken vom geteilten Lohn auf. Dieses Mal wird er nicht dem toten Dienstherren, sondern der (treuen!) Ehefrau zugesprochen, die ihren Mann bereitwillig auf den Kreuzzug ziehen lässt. – Hartmanns vielleicht bekanntestes Lied, das sogenannte 3. Kreuzlied (XVII = MF 218,5), ist vielfach Gegenstand der Forschungsliteratur gewesen (ältere Literatur bei Reusner 1985:151–155, Nellmann 1987, Urbanek 1992, Ortmann 1996, Reichlin 2014). Es ist wie Lied V (MF 209,25) auf einem Gegensatz aufgebaut: dem nämlich von weltlicher und göttlicher minne. Hinter ihrer Entgegensetzung scheint freilich auch immer wieder ihr semantischer wie konzeptueller Bezug aufeinander deshalb auf, weil, wenn Gott an die Stelle der Dame tritt, die Positionen zwar umbesetzt werden, ihr Verhältnis zum Ich aber erhalten bleibt. Die Dame ist es, die dem Ich eine Fahrt gebot (damit dürfte den Zuhörern vom ersten Vers an klar gewesen sein, auf welches Thema das Lied zielt, so auch Mertens 1978c:327, anders Kuhn 21973). In Strophe 2 werden zunächst die Taten zu den Worten eingefordert. Die Liebe Gottes zu den Menschen ist die wahre Minne, die jetzt, im Moment der Not, zur Fahrt ins Heilige Land auffordert. Strophe 3 stellt den wahren Liebenden, der auf (göttliche) Gegenliebe stößt, die erfolglosen weltlichen Minner gegenüber, deren vergebliches Minnen nichts als wân (MF 218,22) ist. Die Gegenseitigkeit der Liebe zwischen Mensch und Gott hat die einseitige Minnekonstruktion des Minnesangs damit endgültig überwunden (Ortmann 1996:95). Es Minnesangfällt nicht ganz leicht sich vorzustellen, dass Hartmann nach diesem Lied noch Minnelieder verfasst hat (was große Teile der Forschung für unmöglich halten), aber völlig ausschließen wird man es nicht können.

Hartmann von Aue

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