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|35|4.3. Gott als Begleiter oder Jesus Christus im Spiegel der Theologien der Vätergeschichte

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Ein wesentlicher theologischer Grundzug der sich von Gen 11,27–50,26 erstreckenden und aus unterschiedlichen Quellen priesterlicher und nichtpriesterlicher Herkunft in der Zeit zwischen dem 8. und dem 4. Jahrhundert v. Chr. komponierten Vätergeschichte (Erzelterngeschichte) ist die Vorstellung von Gott als einem Begleiter (Gen 46,4). Als solcher setzt er sich selbst mittels seines Segens, seiner Verheißungen von Land, Nachkommenschaft und Gemeinschaft sowie der Stiftung eines »Bundes« (hebr. berît, griech. διαθήκη/diathēkē) zum Menschen ins Verhältnis und bewahrt diesen auch in lebensfeindlichen Situationen, sofern er fest auf Gott vertraut. In ihrer redaktionellen Endgestalt bietet die Vätergeschichte eine Kombination aus einer Theologie des Gehorsams gegenüber dem sich selbst verpflichtenden Gott (aus priesterschriftlicher Tradition, Gen 17), aus einer Theologie des Vertrauens auf Gott, auch wenn er sich von seiner dunklen Seite zeigt (aus einer »elohistischen« Tradition, Gen 22), und aus einer Theologie des Segens, den Gott in seiner Freiheit den von ihm paradigmatisch Erwählten zukommen lässt (aus einer »jahwistischen« Tradition, Gen 12,1–3). Dazu kommen narrative Elemente aus redaktionsgeschichtlich sehr spät rezipierten israelitisch-jüdischen Quellen, wie z.B. die merkwürdige Erzählung vom Krieg Abrahams und seiner 318 Knechte gegen die Könige des Orients (Gen 14), deren theologische Botschaft sich auf den Satz komprimieren lässt, dass Gottes Kraft in den Schwachen mächtig ist (2Kor 12,9) und die in einer eigentümlichen frühchristlichen Allegorese auf die Erlösung durch den Kreuzestod Jesu gedeutet wurde (Barnabasbrief 9), sowie verschiedene endredaktionelle Neubildungen, die gesamtbiblisch von besonderer theologischer Bedeutung sind, wie Gen 15 oder Gen 18,20–33.

Die auch von deuteronomistischer und prophetischer Sprache beeinflusste Erzählung in Gen 15 von der Offenbarung Jhwhs (»Ich bin dein Schild«, Gen 15,1; vgl. Ps 3,4; 33,20), die in der Form eines prophetischen Heilsorakels (vgl. Jes 41,10–16) Abraham einen Sohn und Land verheißt (Gen 15,7 vgl. Gen 17,8; 18,10) und die |36|den Glauben Abrahams im Sinne des unbedingten Vertrauens als Kennzeichen der unbedingten Treue zur Gemeinschaft mit Gott bezeichnet (Gen 15,6; vgl. Neh 9,8; Sir 44,20), entfaltet ihre besondere Bedeutung erst im Gesamtkontext des Pentateuchs, der prophetischen Bücher und des Neuen Testaments. Zum einen wird Abraham durch seinen Glauben/sein Vertrauen (hebr. ʼæmîn, griech. πιστεύω/pisteuō) neben Mose (Num 12,5) und Samuel (1Sam 2,35; 3,20) gestellt, zum anderen wird Gen 15,6 in Hab 2,4 zu der Vorstellung variiert, dass der Gerechte (hebr. ṣāddîq, griech. δίκαιος/dikaios) im endzeitlichen Weltgericht durch sein unbedingtes Vertrauen überleben wird. Von Paulus wird Gen 15,6 dahingehend interpretiert, dass Gott selbst dem Menschen Gerechtigkeit (δικαιοσύνη/dikaiosynē), d.h. Gemeinschaft mit sich selbst zuspricht, die im Glauben an seine Heilstat in Jesus Christus ergriffen wird (Röm 1,16–17). Der Ausblick von Gen 15,13–21 auf den Aufenthalt Israels in Ägypten und den späteren Auszug gipfelt in der Kennzeichnung Jhwhs als Richter all derer, die Israel unterdrücken (Gen 15,14), und bildet ein frühgeschichtliches Vorspiel zu Jhwhs universalem Endgericht (vgl. 1Sam 2,10; Jes 3,13; Ps 7,9; Apg 17,31; Apk 18,4–5).

Das auf eine späte gerechtigkeitstheologische Bearbeitung zurückgehende Gespräch zwischen Abraham und Jhwh in Gen 18,20–33 mit der Frage, ob Gott einen Gerechten und einen Ungerechten gleichermaßen vernichte, und wie viele Gerechte es in einer Stadt geben müsse, um diese vor der strafweisen Vernichtung durch Gott zu retten, knüpft sachlich an die Sintfluterzählung an (Gen 6–9). Der Dialog thematisiert wie diese das Problem der Gerechtigkeit Gottes. Das Motiv, dass schließlich zehn Gerechte reichen könnten, Sodom vor dem Untergang zu retten (Gen 18,32), gehört zu den Wegbereitern der Vorstellung vom stellvertretenden Sühnetod des einen Gerechten, der im göttlichen Gericht sein Leben für viele geben wird (Jes 52,13–53,12; 1Petr 2,22–25; Janowski/Stuhlmacher 1996). Die Paradigmatik und Anlage auf Fortschreibung des Gesprächs zwischen Abraham und Jhwh zeigen sich auch darin, dass sich Abraham in einem Niedrigkeitsbekenntnis, das seinen Ort in der späten Psalmenfrömmigkeit hat (vgl. Ps 103,14), als Staub und Asche, als Menschen schlechthin bezeichnet (Gen 18,27), und |37|dass in Gen 18,24.28 nur von »der Stadt« die Rede ist. Damit ist Gen 18,23–33 ein Spiegel für das 587 v. Chr. von den Babyloniern zerstörte Jerusalem, ein Appell an jede Stadt, sie möge zehn Gerechte in ihrer Mitte haben, und ein Vorspiel des Weinens Jesu über Jerusalem (Lk 19,41). Mittels des literarischen Dialogs in Gen 18,23–33, in dessen Zentrum wie in Gen 15 das Bekenntnis zu Gott als Richter der Welt steht (Gen 18,25; vgl. Ps 96,13; Apg 17,31; Apk 19,11), erscheint Abraham als beispielhafter Fürbitter (vgl. Hi 42,8 sowie pervertiert in Jes 63,16; Joh 8,39) und als Vorbild des Streitens mit Gott, das unbedingtes Vertrauen zur Basis hat (vgl. Gen 15,6). In Hiob, der in der nachbiblischen Überlieferung oft mit Abraham verglichen wird – nicht zuletzt wegen der Parallele zwischen Gen 18,27 und Hi 30,19; 42,6 (Witte 2012a: 39–61) – besitzt diese Theologie ein Pendant, die im Bild des in Gethsemane betenden Jesus eine entscheidende Transformation erlebt (Mk 14,36; Lk 22,39–46; Joh 17).

Im Zentrum des Redens von Jhwh in der Geschichte der Erzeltern steht die Erfahrung, dass Jhwh konkret in die Lebensgeschichte einzelner Menschen eingreift. Jhwh handelt am Menschen, indem er segnet und verheißt, sich selbst verpflichtet und begleitet. Jhwh redet zum Menschen, aber er schweigt auch; er offenbart sich, aber verhüllt sich auch; er erscheint an vertrauten Stätten, aber auch an Orten, wo keiner mit ihm rechnet und lässt diese zum Haus Gottes (hebr. bêt-ʼel) werden (Gen 28,19). Gott, so wie ihn die Erzählungen von den Erzeltern bekennen, hat helle und dunkle Seiten: Der Gott, der Abraham erwählt und segnet, ist derselbe, der Abraham testet (»versucht«) und die Opferung des »einzigen und geliebten Sohnes« fordert (vgl. Gen 12,1–3 versus Gen 22,1–2); der Gott, der Abrahams Glauben als Zeichen seines Gottvertrauens wertet, ist derselbe, der nächtlich mit Jakob ringt und diesem Wunden schlägt (vgl. Gen 15,6 versus Gen 32,26); der Gott, der Lea und Rahel Fruchtbarkeit schenkt, ist derselbe, der es zulässt, dass Abraham Hagar, die Mutter seines Sohnes Ismael, recht- und schutzlos verjagt (vgl. Gen 29–30 versus Gen 16 par. 21). Gemeinsam ist diesen unterschiedlichen theologischen Aspekten, dass Gott Anteil am Leben des Menschen nimmt. Gott ist nach der Vätergeschichte nicht |38|beziehungslos, geschichts- und gesichtslos, sondern ein personales Wesen.

Dabei durchziehen allem zwei Motive die Theologie der Vätergeschichte: das Motiv des Segens und das Motiv des Weges. So erzählt Gen 11,27–50,26 davon, wie Gott Segen verheißt, wie dieser Segen stets gefährdet ist und wie sich dieser Segen auswirkt – Segensverheißung, Segensgefährdung und Segensauswirkung ereignen sich immer auf einem Weg, den die einzelnen Figuren der Vätergeschichte gehen. Damit präfiguriert die Vätergeschichte im Duktus des Pentateuchs die ursprünglich als eigenständiger Ursprungsmythos komponierte Erzählung vom Auszug aus Ägypten und Einzug ins Heilige Land unter der Führung Jhwhs und seines Knechtes Mose (Ex–Jos*) (Kratz 2000: 314–327; Gertz 2010: 214–217) sowie im gesamtbiblischen Horizont die narrative Ausgestaltung des Lebens Jesu als Weg-Geschichte. Für letztere spielt die Vorstellung der Partizipation am Segen Abrahams, die sich im Motiv der Abraham-Kindschaft verdichtet (Jes 51,2; 63,16) eine zentrale Rolle, wenn Jesus Christus einerseits in die Genealogie Abrahams eingezeichnet wird (Mt 1,1), andererseits der mit Abraham inaugurierte Ritus der Beschneidung (Gen 17) scharf mit der durch Jesus Christus ermöglichten Freiheit vom Gesetz kontrastiert (Gal 4; vgl. Röm 4) oder die Abraham-Kindschaft problematisiert wird (Mt 3,9; Joh 8,56) (s.o. 2.3.).

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