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4.7. Gott als Herr der Weisheit oder Jesus Christus im Spiegel alttestamentlicher Weisheitsvorstellungen

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In gewisser Weise quer zu den alttestamentlichen Geschichtstheologien stehen die in ihren älteren Formen stark gegenwartsorientierten Weisheitskonzeptionen des Alten Testaments. Unter der gedanklichen Voraussetzung, dass Gott als der Schöpfer in diese Welt eine gerechte kosmische Ordnung eingesenkt hat, der sich der Weise mittels genauer Beobachtung gesellschaftlicher und natürlicher Vorgänge und mittels der Weitergabe empirisch gewonnener Erkenntnisse annähern kann, entwickeln die alttestamentlichen Weisheitsbücher ihr ethisches Programm von einem glücklich gestalteten Leben. Flankiert von der Vorstellung, dass das Handeln eines Menschen immer überindividuelle Dimensionen hat und nie folgenlos ist, vielmehr Tun und Ergehen in einem Zusammenhang stehen, führt dies nicht nur zu einem alle Lebensbereiche umfassenden Programm der Orientierung, sondern auch zu einer gesellschaftlichen und religiösen Klassifikation in Weise und Toren, Gerechte und Frevler. Mittels einzelner Sentenzen, Gleichnisse, Lehrreden und »Seligpreisungen« (Makarismen) versucht der weise Lehrer seine Schüler zu einem gelingenden Leben und zur Gottesfurcht anzuleiten. Das Wissen um von Gott gesetzte Grenzen und um Gottes Undurchschaubarkeit kennzeichnet ihn ebenso wie die Fähigkeit zur genauen Differenzierung der Phänomene und zur gleichnishaften Beschreibung der Wirklichkeit, die stets implizit oder explizit auch einen ethischen Appell enthält.

Wo die Theorie, dass es dem Weisen aufgrund seiner Weisheit gut gehen und der Gerechte aufgrund seiner Frömmigkeit vom Leid verschont bleiben müsse, angesichts gegenteiliger Erfahrungen widerlegt wird, wie im Fall Hiobs, gerät das Denken im Rahmen des Tun-Ergehen-Zusammenhangs in die Krise. Hier wird die Frage nach der Leistungsfähigkeit der Weisheit laut (vgl. Koh 7); die grundlegende theologische Vorstellung von Gott als dem gerechten |63|Schöpfer gerät ins Wanken (vgl. Hi 3). Es ertönt nicht mehr nur die klagende Frage nach dem Grund und dem Ziel der Verborgenheit Gottes (vgl. Ps 13,2; 22,2), sondern Gott selbst rückt in die Ferne, wie bei Kohelet, oder nimmt Züge eines Dämons an, wie bei Hiob (vgl. Hi 9; 16). Einem solchen in die Krise geratenen Gott steht der leidende Gerechte gegenüber, der gerade aufgrund seiner von Gott und Menschen anerkannten Gerechtigkeit ins Leiden gestürzt wird (Hi 1,8f.), der sein Leiden als göttliche Erziehungsmaßnahme deutet (Hi 5,17; 33; Ps 118,18) oder der durch sein Leiden als gerecht erscheint (SapSal 2). Gemeinsam ist den unterschiedlichen weisheitlichen Figurationen der leidenden Gerechten des Alten Testaments, sei es einem Hiob, den Betern von Ps 35; 69; 73 oder SapSal 2, dass das Leiden letztlich nicht als Zeichen der Gottesferne, vielmehr – wie im Fall des leidenden Jeremia oder des leidenden Gottesknechts (s.o. 4.6.2.) – als Kennzeichen einer eigentümlichen Nähe zu Gott verstanden wird, dessen Charakter als Schöpfer und als Lehrer des Menschen bestätigt wird. Die besondere Erkenntnis dieser späten, aus hellenistischer Zeit stammenden kritischen Weisheit ist, dass sie das Leiden in die göttliche Schöpfungsordnung integriert.

Gewissermaßen als Gegenpol zu dieser kritischen Weisheit, wie sie im Alten Testament vor allem durch die Bücher Hiob und Kohelet repräsentiert wird, tritt in fortgeschrittener hellenistischer und römischer Zeit mit Jesus Sirach und der Sapientia Salomonis eine Weisheit, die geschichtliches und damit auch eschatologisches Denken aufnimmt (vgl. Sir 44–49; SapSal 10–19), das Böse als notwendiges Gegenstück zum Guten verstehen lehrt (Sir 33,7–15), eine Brücke zur Tora schlägt, insofern letztere als Inkarnation der kosmischen Weisheit erscheint (Sir 24), und die einen Ausblick auf die Unsterblichkeit des leidenden Gerechten wagt (SapSal 2–3). Der Gott dieser späten Weisheit ist in Weiterführung der deuteronomistischen und deuterojesajanischen Vorstellungen der eine und einzige Gott, der mittels seiner Weisheit, die in der Tora als dem Gesetz des Lebens Gestalt gefunden hat (Sir 17,11 [G]; 45,5), die Welt in den Händen hält und den Gerechten den Weg in das Leben – diesseits und jenseits der Todesgrenze – weist, weil er selbst das Leben liebt (SapSal 11,26).

Das Gottesbild, wie es sich aus den Logien, Gleichnissen und |64|Seligpreisungen Jesu ergibt, Jesu Stilisierung als leidenden Gerechten, als weisen Lehrer und als göttliche Weisheit, die ihre Schüler ins Leben ruft (Mt 11,28–30; Lk 7,34f.; 1Kor 1,30), seine Einschreibung in einen geheimnisvollen Plan Gottes (Röm 11,33–36) und das Motiv seiner Präexistenz (1Kor 8,6; Joh 1,18) verdanken sich zu weiten Teilen der alttestamentlichen Vorstellung von Gott als dem Herrn der Weisheit. Diese selbst gründet tief in einem von Ägypten bis Mesopotamien und Griechenland nachweisbaren Weltordnungs- und Gerechtigkeitsdenken.

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