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Einordnung des Modells der Strukturanalytischen Rezeptionsforschung in die traditionelle Medienforschungslandschaft

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Die Entwicklung des Modells nahm ihren Ausgangspunkt in der Auseinandersetzung mit der nationalen und internationalen Medien wirkungsiorschung Anfang der achtziger Jahre (vgl. Kaase/Schulz 1989) und wurde von der Forschungsgruppe um den Psychologen Michael Charlton und den Soziologen Klaus Neumann-Braun entwickelt. Seinerzeit geriet das bis dahin vorherrschende behavioristisch orientierte Modell der Medienwirkungsforschung stark unter Druck. Als Alternative zu deren Verhaltensmodell wurde von den beiden genannten Autoren in interdisziplinärer Perspektive ein handlungstheoretisches Modell (→ Krotz, S. 94 ff.) der Rezeption und Aneignung von Medienangeboten entworfen, das auf folgenden Annahmen basiert: Erstens findet die Medienrezeption (nicht in einem experimentellen Forschungslabor, sondern) im Alltag der Menschen statt (→ Mikos, S. 146 ff.), sie entsteht aus und in ihm, und sie wird von Alltagspraxis begleitet und wirkt auf diese zurück. Zweitens sind Rezipienten nicht passiv, reizkontrolliert und inputabhängig, sondern vielmehr aktive, konstruktiv Sinn erzeugende Leser, Hörer und Zuschauer, die sich mit Medienangeboten deutend auseinandersetzen. Die Rezeption von Medien ist drittens als ein prozessuales, mehrphasiges Geschehen zu begreifen, in welchem sich ein sozial situierter und biographisch geprägter Rezipient zu einem medialen Sinnangebot in Beziehung setzt. Und funktional gesehen, nutzt der Rezipient schließlich die Beschäftigung mit Medienangeboten für seine Lebensbewältigung und Identitätsbehauptung im Alltag.

Die Konzeption der strukturanalytisch orientierten Rezeptionstheorie sollte weiterhin einen Beitrag zur Systematisierung der medien- und kommunikationswissenschaftlichen Theorie leisten und orientiert sich konsequent an der von Ulrich Oevermann und Jürgen Habermas entworfenen Theoriearchitektonik: Diese basiert auf einem Subjekt- und Handlungsmodell, das die Kompetenztheorien der strukturalen Epistemologie (Jean Piaget u.a.), die struktural-generativen Theorien des Sprachgebrauchs (Noam Chomsky u.a.), die Stufenmodelle der sozialen Kognition und des moralischen Handelns (Lawrence Kohlberg u.a.) sowie psychoanalytische Handlungstheorien (Alfred Lorenzer u.a.) berücksichtigt. Die Vermittlung von Gesellschaftsstrukturen und Subjektstrukturen wird als Ergebnis eines Ko-Konstruktionsprozesses, d. h. als ein Zusammenwirken von individueller Konstruktionstätigkeit und sozialer Konstitution (Max Miller u.a.) angesehen. In interdisziplinärer Perspektive werden Anschlüsse an die Forschungen der Sprach- und Literaturwissenschaften (Leser-Text-Interaktion), der (Sozial-) Psychologie (Identity Themes, Coping-Strategien), des kulturtheoretisch orientierten Konstruktivismus (Siegfried J. Schmidt) sowie der Cultural Studies (Stuart Hall, John Fiske, → Winter, S. 86 ff.) – um die wichtigsten Referenztheorien zu nennen – hergestellt.

In methodologisch-methodischer Hinsicht werden auf der Grundlage einer Kritik des kausalnomologischen Modells der traditionellen Medienwirkungsforschung (Charlton 1987) die rekonstruktiven Methoden der hermeneutischen Sozialforschung (vor allem: Strukturale Hermeneutik (→ Hagedorn, S. 580 ff.) und Konversationsanalyse (→ Ayaß, S. 460 ff.) für die empirische Rezeptionsforschung (→ Prommer, S. 249 f.) fruchtbar gemacht: Im Zentrum der Analysen stehen einerseits Fallrekonstruktionen (Charlton/Neumann[-Braun] 1986), andererseits Strukturexplikationen von Medienhandlungen (Charlton/Neumann [-Braun] 1990).

Qualitative Medienforschung

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