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Diskussion und Weiterentwicklung des Modells der Strukturanalytischen Rezeptionsforschung

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Die handlungs- und subjekttheoretische Perspektive in der Massenkommunikationsforschung sieht die Rezeption von Medienangeboten als Teil der Alltagspraxis. Auf diesen grundsätzlichen Ausgangspunkt hin sind zwar alle inzwischen entwickelten handlungstheoretisch orientierten Modelle und Theorien ausgerichtet, in ihrer theoretischen Fundierung sind sie jedoch recht unterschiedlich konzipiert (Charlton 1997, S. 22 f.). Das bislang vorgelegte, vor allem frühe, empirische Material der Strukturanalytischen Rezeptionsforschung bezieht sich überwiegend auf die Rezipientengruppen der (Klein-) Kinder und Jugendlichen. Diese Fokussierung ist jedoch keineswegs theorieimmanenten Gründen oder Zwängen geschuldet, was z. B. biographietheoretische Analysen (Neumann-Braun/Schneider 1993), Studien zur Rundfunkkommunikation, Untersuchungen von Unterhaltungsangeboten für Erwachsene (Neumann-Braun 1993), jüngere Arbeiten zur Lesesozialisation (Charlton/Pette 1999, Groeben/ Hurrelmann 2002) oder zum Medienhandeln junger Erwachsener (Höfer, 2012) zeigen. Die Entwicklungspotenziale des Ansatzes der Strukturanalytischen Rezeptionsforschung zum Ende der 1990er Jahre hin wurden von Charlton (1997, S. 32 f.) skizziert. Darin wird insbesondere auf die Untersuchung der Frage nach Aktivität und Autonomie von Rezipienten sowie auf die Bedeutung von Ko-Texten und sozialen Kontexten für die Medienaneignung verwiesen und schließlich für eine Fortführung einer forciert interdisziplinären Rezeptionsforschung plädiert (vgl. Charlton u.a. 1995). In jüngerer Zeit werden in theoretischer Perspektive zentrale Begrifflichkeiten des Modells präzisiert (z.B. Pseudoadressierungen als eine Form von parasozialer Interaktion, vgl. Sutter 1999) sowie Anschlüsse an Konstruktivismus und Systemtheorie (Sutter/ Charlton 1999, 2001) sowie an Wissenssoziologie und einer Theorie des Alltags (Weiß 2001) diskutiert. In methodischer Perspektive erfahren die Verfahren von Ethnographie und Konversationsanalyse für die empirische Medienrezeptionsforschung eine Fortentwicklung (Schmidt/Neumann-Braun 2003b; Schmidt 2004).

Es ist insbesondere die Gleichzeitigkeit aus der Fokussierung des Individuums als Medienhandelnder und dessen radikaler Kontextualisierung (jede Medienhandlung wird im Kontext seiner sozialen Situation betrachtet und zwar stets vor, während und nach dem Medienkonsum einschließlich der gemachten Erfahrungen und eingebrachten Erwartungen des Mediennutzers), die die strukturanalytische Rezeptionsforschung insbesondere auch für Untersuchungen des aktuellen Medienwandels so wertvoll macht. Denn im Zuge der Mediatisierung erfährt das individuelle Medienhandeln in seiner Komplexität eine Intensivierung, was sowohl die Medienumgebung des Rezipienten betrifft als auch die Anforderungen, die damit für das Individuum (z. B. bei den je eigenen Identitätsbildungsprozessen, Schmidt/Neumann-Braun 2003a) mit einhergehen. Portable Smartphones, Tablets und immer erschwinglicher werdende Flatrates lassen Medienrezeptionsprozesse in ganz verschiedenen sozialen Situationen stattfinden und alltäglich werden. Diese zunehmende mediale Vernetzung des Individuums sowie die allgegenwärtige Verfügbarkeit verschiedenster Medienangebote (Games, Filme, Clips, Musik, Nachrichten etc.) erfordert eine Rezeptionsforschung, die zum einen den Rezipienten dort wahr- und ernst nimmt, wo sich sein Medienhandeln ereignet, nämlich im Alltag und zum anderen den Rezeptionskontext in seiner Komplexität und Unberechenbarkeit nicht außen vorlässt.

Qualitative Medienforschung

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