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2.3Fazit: Nachhaltigkeitskommunikation als gesellschaftliche Willensbildung

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Nachhaltigkeitskommunikation in dem hier zugrunde gelegten Verständnis stellt eine notwendige Bedingung für eine nachhaltige Entwicklung dar: Ohne eine gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den kontroversen (!) Fragen, die sich in der Suche nach, Verständigung über und Gestaltung einer lebenswerten und lebensfähigen Zukunft stellen, werden entsprechende Veränderungsprozesse nur schwerlich erfolgreich sein. Nachhaltigkeitskommunikation muss dabei sowohl Kommunikation von, über und für Nachhaltigkeit sein – sie muss verstehen helfen, Verständigung stiften und ausgerichtet sein auf eine bestimmte normative Perspektive – Bedürfnisbefriedigung für alle, heute und in Zukunft, im Rahmen planetarischer Grenzen.

Den Abschluss sollen drei Vorschläge bilden, die als Lösungsansätze für drei problematische Entwicklungen verstanden werden können: Reintegration, Repolitisierung und Reessenzialisierung (siehe Marwege/Fischer 2016).

1.Die Ausdehnung der Nachhaltigkeitskommunikation über verschiedene gesellschaftliche Teilbereiche (z. B. Marketing, Bildung, Medien) in immer kleinteiligere Kommunikationszusammenhänge ist – so wünschenswert sie in der skizzierten Zielsetzung der Nachhaltigkeitskommunikation auch sein mag, eine breite gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der Idee der Nachhaltigkeit anzuregen – mit neuen Problemen behaftet: Mit der Spezialisierung der Diskurse entstehen neue Sprachen und Begriffe, die zwar kontextsensitiv sind, aber neue Verständigungsprobleme und Exklusionstendenzen bergen. Eine große Herausforderung liegt darin, die Verständigung über die engen Diskursgrenzen hinweg anzustreben und den Diskurs über eine nachhaltige Entwicklung wieder auf gesamtgesellschaftlicher Ebene zu reintegrieren.

2.Nachhaltigkeit ist insbesondere im Konsumsektor zu einem wichtigen Produktmerkmal geworden. Mehrfach wurde in den vergangenen Jahren in den Nachhaltigkeitswissenschaften vor einer weitreichenden Privatisierung von Nachhaltigkeitsthemen gewarnt, insbesondere unter dem Begriff des nachhaltigen Konsums. Wenn zum Beispiel über das Wohl des Klimasystems und damit einhergehend soziale Stabilität weltweit vor allem durch die Hand von Verbraucherinnen und Verbrauchern entschieden werden soll – siehe zum Beispiel die Kritik von Armin Grunwald (2010) an der „Privatisierung der Nachhaltigkeit“ –, dann ist sehr wahrscheinlich Überforderung die Folge. Eine große Herausforderung liegt darin, die Nachhaltigkeitskommunikation durch das Aufgreifen politischer Kontroversen und bürgerschaftlicher Dimensionen eines Engagements für Nachhaltigkeit wieder zu repolitisieren. Statt lediglich an das Konsumverhalten der Menschen zu appellieren, könnte Nachhaltigkeitskommunikation demokratische Aushandlungen und öffentliche Debatten anstoßen: Wie wollen wir als Gesellschaft den Wechsel in eine klimaschonende Energieversorgung organisieren (Stichwort „Energiewende“)? Was sind Minimalstandards, auf die Menschen in Deutschland einen Anspruch haben sollten (Stichwort „Grundsicherung“)? Welche Rechte und Pflichten hat die ältere gegenüber der jüngeren Generation (Stichwort „Rentenkrise“)?

3.Die Idee der Nachhaltigkeit war immer Anspruch und Einladung zugleich. Sie fordert, anderen Menschen heute und in Zukunft ein gutes Leben zu ermöglichen, ohne dabei unsere natürlichen Lebensgrundlagen zu zerstören. Durch die Unbestimmtheit dessen, was dies genau bedeutet, erfordert die Idee der Nachhaltigkeit immer Aushandlung und Verständigung und damit Kommunikation. Eine große Herausforderung liegt somit darin, nicht aus den Augen zu verlieren, worum es eigentlich bei der „Großen Transformation“ der Gesellschaft für eine lebenswerte Zukunft geht, und Kommunikation zu diesen Fragen zu stiften: Dabei muss es weder notwendigerweise um den Begriff der Nachhaltigkeit selbst (Nachhaltigkeitskommunikation im engeren Sinne) noch ausschließlich um die Initiierung neuer Debatten gehen. Eine Herausforderung für die Nachhaltigkeitskommunikation (im weiteren Sinne) besteht darin, gesellschaftliche Diskurse zur Energiewende, Grundsicherung oder zur Rentenkrise nicht unverbunden nebeneinander zu führen, sondern sie auf die Idee der Nachhaltigkeit und die grundsätzlichen Fragen der Gerechtigkeit, die sie aufwirft, zurückzubeziehen und sie damit zu „re-essenzialisieren“.

Die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen formulieren ambitionierte Ziele für den Zeitraum bis 2030. Um die gesetzten Ziele zu erreichen und die Fähigkeit zur demokratischen Selbststeuerung zu fördern, braucht es eine wirksame Nachhaltigkeitskommunikation, die in der Lage ist, die Idee der Nachhaltigkeit mit Diskussionen in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen zu verknüpfen und Verständigungsprozesse darüber zu stiften, in welche Richtung aufgrund welcher Werte unsere Gesellschaft sich entwickeln soll.

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