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3.Waldwirtschaft/Forstplanung Roderich von Detten

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In als instabil und risikoreich erlebten Zeiten wächst das Bedürfnis nach Sicherheit und Verlässlichkeit. Werden Komplexität und Zukunftsunsicherheit im globalen Maßstab in den verschiedensten räumlichen und zeitlichen Kontexten unter (massen)medialen Bedingungen in zumeist krisenhaften Erzählungen oft als quasi ‚naturgegeben‘ wahrgenommen, so wächst die Sehnsucht nach Gewissheit, Stabilität, Maß und Gleichgewicht, und auch nach Kontrolle ins Unermessliche. Dass also die Vorstellung von „Nachhaltigkeit“ zu einem Leitbild der zweiten Moderne (vgl. Beck 1996) avancieren konnte, mag kaum verwundern.

Wenn mit dem verbreiteten, oft auch inflationären Gebrauch des Nachhaltigkeitsbegriffs die Mehrdeutigkeit und die Vagheit beklagt werden (vgl. z. B. Brand/Görg 2002: 26 ff.; Grunwald 2004: 327 f.),1 ihm eine „begrenzte Leitbildfähigkeit“ (Brand/Görg 2002: 27 ff. bzw. 74 ff.) attestiert wird und die Nachhaltigkeit ihre Prägnanz und ihr kritisches Potenzial zu verlieren droht, so wird gerne nach dem Original gesucht. Genau an dieser Stelle kommen die Forstwirtschaft bzw. die Forstwissenschaften ins Spiel. Nicht überraschend ist es vor allem der forstliche Fachbereich selbst, der diese Karte allzu bereitwillig spielt und dabei gerne den Bogen von der zum Teil des forstwissenschaftlichen Gründungsmythos gewordenen Nachhaltigkeit nach Carlowitz (1713) zum aktuellen, Forstwirtschaft und Forstwissenschaft verbindenden Leitbegriff spannt und gar zum „ehernen“, also zeitlos gültigen Prinzip hinter dem Ziel einer globalen nachhaltigen Entwicklung erhebt, für das die deutsche Forstwirtschaft Urheber, Pate und Hüter zugleich zu sein beansprucht. In der medialen alltäglichen Wahrnehmung und durchaus auch in Expertendiskursen ist dieses Narrativ nach wie vor weit verbreitet und der Förster ist zum symbolischen Hüter der Langfristigkeit par excellence geworden. Vielleicht wird gerade deshalb im Forstbereich immer wieder das Ziel verfolgt, dem Leitbegriff eine orientierende Funktion zurückzugeben. Dabei geht es meist nicht allein darum, in engen, kontextbezogenen Definitionen eine korrekte Bedeutung festzuschreiben, sondern die Deutungshoheit darüber zu klären.

Der vorliegende Beitrag versucht mit dem Blick auf die beiden Ebenen des Forstfachbereichs – forstliche Praxis und Forstwissenschaften – eine kritische Bestandsaufnahme des Konzepts der Nachhaltigkeit und lotet dabei aus, inwieweit der Gebrauch des Begriffs und seine Funktionen im forstlichen Fachdiskurs paradigmatisch für den allgemeinen Umgang mit dem Konzept stehen. Viele Beobachtungen sind dabei allgemeiner Art – und lassen sich auch für andere Begriffe machen, die sich im Problembereich des langfristigen Umgangs mit natürlichen Ressourcen an der Seite der Nachhaltigkeit etabliert haben. Zum einen wird damit die Ebene der Waldwirtschaft – also die praktische Bewirtschaftung von Waldökosystemen – bedacht, zum andern ist damit stets die für die praktische Waldbewirtschaftung unumgängliche langfristige Forstplanung angesprochen. Zunächst wird der forstliche Kontext beleuchtet, in dem Begriff und Konzept der Nachhaltigkeit wirksam werden konnten, bevor Verwendungsweisen des Nachhaltigkeitskonzeptes aufgezeigt werden. Zum Schluss wird Kritik an der Verwendung des Nachhaltigkeitsbegriffs aufgegriffen und erörtert, was das Beispiel eines forstfachlichen Umgangs mit der Nachhaltigkeit für den Nachhaltigkeitsdiskurs insgesamt lehren kann.

Nachhaltigkeit interdisziplinär

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