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2. Rezeption und Weiterentwicklung des Unendlichkeitsdenkens

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Die frühe Neuzeit ringt intensiv um die Ausformulierung neuer Kosmologien und Theorien der Natur. Dabei zeigt gerade die Rezeptionsgeschichte des Unendlichen, dass ‚alte‘ Lehren eines geschlossenen Kosmos keinesfalls unilinear durch sog. ‚fortschrittliche‘ Lehren eines offenen Universums überwunden werden. Ganz im Gegenteil bilden traditionelle Vorstellungen vielfach Anknüpfungsmöglichkeiten, durch die alternative Modelle der Kosmologie und des Naturverständnisses zuallererst vermittelbar werden (→ IV.7). Ein Beispiel hierfür bildet die bereits seit der Antike bekannte Frage der möglichen Existenz eines unendlichen extrakosmischen Vakuums, die v.a. auf der Basis einer vertieften Kenntnis traditioneller Texte neu erschlossen und diskutiert wird (vgl. Grant [1981] 2011: 182ff.).

Obgleich Johannes Kepler (1571–1630) seine Auffassung hinsichtlich der Beschaffenheit der Fixsterne im brunianischen Sinn korrigiert und die Fixsterne als Sonnen interpretiert, die aus ihrem Inneren Licht aussenden ([1611] 1941: 302, 305), lehnt er die Möglichkeit eines unendlichen Weltalls mit der Begründung ab, dass das Universum ein beobachtbares Universum bleiben müsse ([1606] 1938: 253).

|21|Um jeden Verdacht eines Pantheismus[8] auszuräumen und die Differenz zwischen der Unendlichkeit Gottes und der Unendlichkeit des Universums zu wahren, unterscheidet René Descartes (1596–1650) zwischen „unendlich“ (lat. infinitum) und „unbegrenzt“ (lat. indefinitum): Unendlich ist allein Gott; unbegrenzt ist, wovon keine Grenzen ausweisbar sind ([1644] 2007: I 27). Freilich erfährt die cartesische Abschwächung des Unendlichen durch die Zeitgenossen und Nachfolger entschiedene Kritik.

Henry More (1614–1687), der bedeutendste Vertreter des sog. Cambridger Platonismus, betont in Auseinandersetzung mit Descartes die Unendlichkeit des Raumes, die in engster Verbindung mit der Unendlichkeit Gottes gesehen wird (vgl. Jacob 1995: 58ff.). Schließlich wird die Theorie des unendlichen homogenen und isotropen Raumes – nicht zuletzt durch den Einfluss der Cambridger Schule – zur Grundlage der klassischen Physik und der Kosmologie Isaac Newtons (1643–1727).

Ausgangspunkt des Unendlichkeitsdenkens bei Baruch de Spinoza (1632–1677) ist die Bestimmung Gottes als die eine, unteilbare sowie aus unendlichen Attributen bestehende Substanz ([1677] 1989: I, prop. 11). Insofern Gott weiter als Ursache seiner selbst und als hervorbringende Kausalität verstanden wird, realisiert er sich und alle Dinge (lat. Deum esse causam sui et omnium rerum) (ebd.: prop. 34, demonstratio). Von hier aus erschließt sich die „hervorbringende/naturende Natur“[9] (lat. natura naturans) als das nur aus sich selbst begreifbare, ewige Wesen Gottes; die „hervorgebrachte/genaturte Natur“ (lat. natura naturata) hingegen ist alles, was aus der Natur Gottes oder einem seiner Attribute mit Notwendigkeit folgt (ebd.: prop. 29, scholium). Damit werden Gott und Natur gleichgesetzt, sodass Spinozas Naturverständnis in einen Pantheismus mündet.

Generell ist der Übergang vom geschlossenen zum offenen Universum durch vielfältige, teilweise konkurrierende methodologische Problemstellungen gekennzeichnet. Erhebliche Abweichungen zeigen sich im mathematischen Umgang mit dem Unendlichen. So leben in der Neuzeit klassische Probleme des Raumkontinuums und Atomismus auf, die sich auf die Interpretation des unendlich Kleinen auswirken. Die Anwendung geometrischer Näherungsmethoden auf Bewegungsabläufe durch Galileo Galilei (1564–1642), die Entwicklung der Indivisibilienmethode durch Bonaventura F. Cavalieri (1598–1647), Gottfried W. Leibniz’ (1646–1716) Differenzial- und Integralkalkül oder Newtons Fluxionsmethode bedeuten neuzeitliche Versuche der Problembewältigung (→ I.3).

Die neuzeitliche Methodendiskussion erschöpft sich allerdings keinesfalls in Überlegungen zur kosmischen oder mathematischen Unendlichkeit. Die systematische Einteilung der Natur in die drei Naturreiche der Tiere, Pflanzen und Mineralien, wie sie etwa von Carl von Linné (1707–1778) durchgeführt wird (→ I.5), zeigt nicht nur ein starkes Interesse an terrestrischen Bedingungen, sondern belegt auch das |22|Weiterwirken der aristotelischen Definitionslehre (→ IV.2). Noch in der von Antoine L. de Lavoisier (1743–1794) entwickelten Reform der chemischen Methodologie und Terminologie (Lavoisier 1789) bleibt die aristotelische Vorstellung einer natürlichen Ordnung der Dinge präsent.

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