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|73|I.8 Gegenwärtige Strömungen der Naturphilosophie

Gregor Schiemann

Obwohl die Naturphilosophie gegenwärtig eine eher randständige Position in der Philosophie einnimmt, umfasst sie zahlreiche Strömungen, die teilweise von recht unterschiedlichen Voraussetzungen ausgehen. Diese Vielfalt geht zum einen auf den nur vage bestimmbaren Begriff zurück, der sich seit jeher auf sich widersprechende Auffassungen von den Methoden und Aufgaben der Naturphilosophie anwenden ließ. Zum anderen ist die heutige Heterogenität des Faches auch Ausdruck einer Umbruchsituation, in der sich das Wissen von der Natur und das Verhältnis des Menschen zur Natur in einem radikalen Wandlungsprozess befinden (→ insb. II.1).

Das hervorstechendste neue Merkmal des Naturwissens ist der wachsende Einfluss des szientistischen Naturalismus, wie er z.T. von den Naturwissenschaften selbst vertreten wird. Ihm zufolge lassen sich alle Phänomene der Welt mit den Mitteln der Naturwissenschaften erfassen und im Prinzip auch erklären (zur Vorgeschichte → I.7/Abschn. 2). In der Konsequenz dieses Ansatzes, der in der Naturphilosophie ebenso leidenschaftliche Anhänger wie entschiedene Gegner hat (→ I.6), liegt eine Revolutionierung derjenigen Weltbilder, die den umfassenden naturwissenschaftlichen Geltungsanspruch bestreiten. Das Verhältnis des Menschen zur Natur ist durch eine sich beschleunigende Technisierung gekennzeichnet, deren epochale Wirkungen sich in der lebensbedrohenden Umweltproblematik niederschlagen. Man kann heute nicht mehr ausschließen, dass die Biosphäre sich durch die Eingriffe des Menschen auf eine Weise verändert, die für uns letale Folgen hat. Die Gefährdung unserer Umwelt gehört zu den wichtigsten Motivationen für neue Ansätze der praktischen Naturphilosophie, die im gegenwärtigen Spektrum naturphilosophischer Strömungen neben traditionellen Positionen bestehen.

Der nachfolgende Überblick über die heutzutage relevanten Strömungen der Naturphilosophie versteht unter dieser ein Gebiet der Philosophie, dessen Gegenstand die Natur, das Wissen von ihr und das Verhältnis des Menschen zu ihr ist. „Philosophie“ meint hierbei nicht nur akademische, sondern auch nichtakademische Bemühungen um ein begriffliches Verständnis der Welt. Die Trennung zwischen den beiden Typen ist nicht immer unproblematisch, nicht zuletzt wegen ihres Zusammenhangs mit der ebenfalls nicht eindeutigen Unterscheidung von wissenschaftlicher und nichtwissenschaftlicher Philosophie. Insofern Natur in naturwissenschaftlicher Hinsicht erfasst wird, können sich die Aufgaben der Naturphilosophie mit denen der Wissenschaftstheorie und -philosophie der Naturwissenschaften überschneiden (→ I.6; I.9). Im Unterschied zu nichtphilosophischen Disziplinen, die sich mit Natur befassen |74|(Physik, Ökologie, Biologie etc.), steht in der Naturphilosophie die Bestimmung des Naturbegriffs (→ II.1) im Vordergrund.

Gegenwärtige naturphilosophische Positionen zeichnen sich durch das Nebeneinander von neuen und herkömmlichen, teils bis auf die Antike zurückreichenden Konzeptionen aus (Schiemann 1996; 2005). Sie reichen von der grundsätzlichen Ablehnung einer naturphilosophischen Erkenntnis bzw. Disziplin (z.B. Platon, 428/427–348/347 v. Chr.; Friedrich Engels, 1820–1895) bis zu ihrer Erhebung in den Stand einer philosophischen Fundamentallehre (z.B. Aristoteles, 384–322 v. Chr.; Friedrich W.J. Schelling, 1775–1854). Systematische Aufgabenbestimmungen verstehen unter Naturphilosophie oftmals nur eine spezielle Richtung der theoretischen Philosophie (Welten 1992). Unter dem Eindruck der Umweltproblematik haben aber praktische Fragestellungen verstärkt Eingang gefunden (Bayertz 1987) (→ III.5; IV.1–IV.6). Zusätzlich scheint es zweckmäßig, die Thematisierung ästhetischer Erfahrungen von Natur als gesonderten Bereich aufzunehmen (→ II.9; III.2; IV.6; IV.7). Eine Dreiteilung der Aufgaben systematischer Naturphilosophie in einen theoretischen, praktischen und ästhetischen Bereich übernimmt die traditionelle Gliederung der Philosophie. Sie trägt dem Umstand Rechnung, dass Naturphilosophie nur bedingt über einen eigenen Methodenkanon verfügt und deshalb meist als angewandte Philosophie gelten kann (vgl. für die theoretische Naturphilosophie: Stöckler 1989). Die historische Forschung der Naturphilosophie ist teils Bestandteil des systematischen Bereichs, teils hat sie sich als eigener Bereich herausgebildet. Ein weiterer Bereich ist die Naturphilosophie als Lebensstil und Weltanschauung. Zur näheren Bestimmung der Aufgaben der Naturphilosophie bedarf es in jedem dieser Bereiche einer Gegenstandspräzisierung und einer Abgrenzung zu anderen Disziplinen, die sich mit denselben Gegenständen befassen.[15]

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