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Wer nicht schweigt, erfährt Ressentiments
ОглавлениеDoch auch wenn sich Frauen öffentlich zu Wort melden und bestimmte Entscheidungsbefugnisse haben, herrscht ein doppeltes Schweigen: Es sind die Frauen selbst, die über die „Frauenfrage“ schweigen, und es ist die Situation der Frauen, über die geschwiegen wird. Es gibt keine Forschungen über ihre Arbeitsbedingungen, Aufstiegsmöglichkeiten, die Vereinbarkeit von Beruf und Sorgearbeit, ihre Erfahrungen und ihre Vorschläge zur Verbesserung ihrer Situation in kirchlichen Einrichtungen. In informellen Gesprächen weisen einige dieser Frauen auf viele Probleme hin und reden von ihrer Angst, darüber zu sprechen. Ein anderer Aspekt dieses doppelten Schweigens verweist auf die negativen Konsequenzen für die wenigen Frauen, die nicht schweigen, sondern sich öffentlich mit der „Frauenfrage“ beschäftigen: Sie werden angegriffen und denunziert, indem man sie des Feminismus, des Protestantismus, des Liberalismus oder der „Gender-Ideologie“ bezichtigt. Ich kenne dies aus eigener Erfahrung, seit ich das Buch Kako razumjeti rod? Povijest rasprave i različita razumijevanja u Crkvi (Wie ist Gender zu verstehen? Debattengeschichte und unterschiedliche Interpretationen in der Kirche, 2011) veröffentlicht habe. Ich wollte damit die kroatische Öffentlichkeit über die Geschichte des Begriffes Gender informieren, dessen Gebrauch in internationalen Dokumenten und in der Theologie, die Begriffsverwirrung und die falschen Interpretationen der Thesen von Judith Butler bei Gabriele Kuby und die Position des Heiligen Stuhls während der vierten internationalen Weltfrauenkonferenz in Peking (1995). Wegen dieses Buches wurde ich als „Gender-Ideologin“ verurteilt und aufgrund der dadurch entstandenen Spannungen habe ich meine Arbeit als Lehrbeauftragte an der Katholischen Fakultät in Split, wo ich das Wahlfach „Frauen in Kirche und Gesellschaft“ lehrte, gekündigt.
Ähnliche Angriffe erlebte auch der Bischof des Bistums in Dubrovnik Mate Uzinić, der 2019 die erste theologische Summer School in Kroatien organisierte, die sich mit aktuellen Themen der zeitgenössischen Theologie befasste. Als Vortragende lud er die feministische Theologin Tina Beattie ein, Professorin der Katholischen Studien an der Roehampton University in London. Wegen dieser Einladung wurde er von einem anderen Bischof in einem offenen Brief kritisiert. Negativ reagierten auch einige Vertreter der katholisch-theologischen Fakultäten, sowie verschiedene Autor*innen und Aktivist*innen auf ultrakonservativen katholischen Portalen. Auf diesen Portalen wurden dabei auch etliche Frauen angegriffen – Ordensschwestern und Laiinnen aus Kroatien –, die es wagten, in der Öffentlichkeit kritisch über die migrantenfeindliche Atmosphäre, Friedensprozesse und Gender-Theorien nachzudenken. Sie wurden ohne Argumente in einen Topf geworfen und beschuldigt, eine „Kultur des Todes“ zu fördern.
Das Schweigen der Frauen in der katholischen Kirche Kroatiens ist aber nicht nur ein Thema der Frauen. Es ist Teil einer komplexen Problematik, in der sich die Kirche nach dem demokratischen Wandel befindet. Einige Aspekte seien genannt: Die kirchliche Hierarchie kam in einer pluralistischen Gesellschaft nicht zurecht, sie entwickelte daraufhin eine starke Sehnsucht, in eine vormoderne Gesellschaft zurückzukehren, in der die katholische Kirche Einfluss und eine Sonderstellung hatte. Ultrakonservative katholische Organisationen erstarkten in den letzten Jahren, sie üben Druck aus, erpressen Kirchenoberhäupter und Theolog*innen und lassen keinen theologischen Dialog zu. So entstand eine neue Generation von Theolog*innen, denen die Sicherung ihrer Arbeitsplätze an den theologischen Hochschulen wichtiger ist als ihre Rolle als Theolog*innen. Weiter ist ein Teil der Problematik das Kirchenrecht, nach dem die Frauen zwar gleichwertig, aber nicht gleichberechtigt sind, was einen untergeordneten, abhängigen und unsicheren Status für die Frauen in kirchlichen Institutionen bedeutet, sowohl allgemein ekklesiologisch als auch auf Ebene der lokalen Kirche. Interessant ist, dass einige (männliche) Theologen in Kroatien vor etwa zwanzig Jahren offene und auf Dialog bedachte Standpunkte zu Fragen der modernen Wissenschaft und Gesellschaft einnahmen, sich aber schon nach einigen Jahren dem konservativen kirchlichen Mainstream anschlossen. Ein Kontext, in dem Unsicherheit und Angst herrschen, Identität im Kampf gegen Andere und Andersartige geschaffen und erlebt wird und für die Selbstversicherung ein Feind benötigt wird, fördert das Schweigen der Frauen. Es sind wieder die bereits genannten Gründe: die traditionelle Erwartung, dass sie den Kampf für ihre Rechte aufgeben, um damit nicht den einheitlichen „katholischen“ Block im Kampf gegen verschiedene Bedrohungen zu gefährden sowie die institutionelle Verletzlichkeit der Frauen, deren Stellung in der Kirche vom guten Willen in der Hierarchie abhängt.