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Katholisch, weiblich, autonom? Erfahrungen einer Benediktinerin Makrina Finlay OSB (Dinklage, Deutschland / Kalifornien, USA)

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„Wie in aller Welt bist du hierher gekommen?“ ist oft eine der ersten Fragen, die mir Menschen stellen. Es ist eine gute Frage. Ich bin Benediktinerin in der Abtei Dinklage in Niedersachsen, wuchs aber freikirchlich in einer kleinen Stadt in Nordkalifornien auf. Meine Familie und ich gehörten zur Church of the Nazarene (dt. „Kirche des Nazareners“) – eine Kirche, die seit ihrer Gründung im Jahr 1908 Frauen ordiniert. Als Kinder besuchten meine Schwester und ich die konservative christliche Schule, an der unsere Eltern unterrichteten. Ich ging auf eine methodistische Universität in der Nähe von Los Angeles und hatte wenig Kontakt mit dem Katholizismus oder anderen liturgisch und sakramental ausgerichteten Kirchen. Erst als ich mit Anfang 20 für ein Auslandssemester nach Oxford ging, lernte ich anglikanische, katholische und orthodoxe Christ*innen kennen und besuchte viele unterschiedliche Kirchen. Später belegte ich einen Patristik-Kurs, der mich schließlich begeisterte.

In dieser Zeit studierte ich unter anderen Athanasius, Johannes Chrysostomus und die Kappadokier. Vor allem die heilige Makrina und ihr jüngerer Bruder, der heilige Gregor von Nyssa, hatten es mir angetan. Mir gefiel es, dass Gregor etwa zur gleichen Zeit, als er am Konzil von Konstantinopel teilnahm und die Lehre von der Dreifaltigkeit ausarbeitete (381), auch das Leben der heiligen Makrina schrieb. Darin stellt er seine Schwester als eine Person dar, die über geschlechtsbezogene Normen hinausging und sich beispielsweise aktiv dafür entschied, genauso wie ihre Dienerinnen zu leben. Er wollte deutlich machen, dass sie die von Paulus in Galater 3,28 beschriebene Vision in die Tat umsetzte: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus.“ Gregor präsentiert Makrina als eine Person, die eine monastische Gemeinschaft leitete, Bischöfe lehrte, Männer und Frauen segnete, ein priesterliches Gebet sprach, als Braut Christi lebte und auf diese Weise in ihrem eingeschränkten Bereich der Kirche als Ganzer diente. In seinem Bericht über ihre letzten Tage beschreibt er sie und ihr Wirken nicht nur wie das Weihrauchopfer auf dem Altar, sondern als den Weihrauch selbst. Es ist nicht ersichtlich, ob Makrina aus Sicht Gregors „in persona Christi“ handelt, aber in seiner Darstellung ist sie aufs engste mit Christus verbunden und hat nicht nur die Fähigkeit, die Opfergabe zu weihen, sondern selbst die Opfergabe zu sein.

Das war eine Vision von Kirche, zu der ich mich hingezogen fühlte.

Als ich einige Monate später nach Oxford zurückkehrte, um mein Doktorat in moderner Geschichte zu beginnen, war ich schon vom sakramentalen Wesen der Kirche überzeugt. Ich lernte eine Reihe von Benediktinermönchen kennen, die ebenfalls in Oxford studierten, und schloss mich ihnen oft zum Gebet an. Da ich theologisch immer noch auf der Suche war, begann ich einen katechetischen Prozess, sowohl bei der orthodoxen als auch der katholischen Kirche. Nach einigen Monaten entschied ich mich, katholisch zu werden. Das war im Frühjahr 2000. Ich hatte das Gefühl, nach Hause zu kommen. Gleichzeitig aber kam ich mir vor wie ein Scheidungskind, das sich entscheiden musste, bei welchem Elternteil es leben wollte. Ich traf die Wahl. Ein halbes Dutzend Mönche und mein Freundeskreis, zu dem eine Jüdin, eine Hindu, eine Mormonin und ein Atheist gehörten, nahmen an meiner Firmung teil. Das war für mich die Weite der katholischen Kirche und der Grund, warum ich Ja sagen konnte.

Während meiner Jahre in Oxford war ich Teil einer kleinen Gruppe von Frauen, die von einer anglikanischen Priesterin geleitet wurde. Für mich waren die Mitglieder dieser Gruppe Mitchristinnen und Suchende, die mir viel beibringen konnten, aber als katholische Konvertitin vertrat ich auch ein enges Verständnis der Sakramente. Es gab mir Sicherheit, zu wissen, was erlaubt war und was nicht. Eines Abends waren wir gemeinsam zu einer Eucharistiefeier versammelt, der die Gruppenleiterin vorstand. Sie war sichtlich schwanger. Obwohl ich aus meiner Kindheit in der Nazarenerkirche mit Predigerinnen und Pastorinnen vertraut war, war diese Situation aufgrund des liturgischen und sakramentalen Kontextes anders; die Anglikaner hielten es ja nicht „nur” für ein Symbol. Ich erinnere mich, dass ich mich beim Anblick einer schwangeren Frau, die in persona Christi steht und die Hostie konsekriert, sehr unwohl fühlte; ich war froh, dass das in der katholischen Kirche nicht möglich war.

Etwa zur selben Zeit lernte ich Sr. Maire Hickey kennen. Sie war damals Äbtissin von Dinklage, der Benediktinerinnenabtei in Deutschland, in die ich 2005 eintrat. Ich fand in ihr und den anderen Schwestern eine tiefe spirituelle Kraft, zu der ich mich hingezogen fühlte. Ungefähr ein Jahr nach der oben erwähnten Eucharistiefeier kam Sr. Maire zu einem „Reunion“ nach Oxford. Die Veranstaltung begann mit einer Messe, und sie lud mich ein, daran teilzunehmen. Bei der eucharistischen Wandlung fühlte ich mich allerdings genauso unwohl wie bei der, die ich oben beschrieben habe. Von den ca. 100 Personen, die offiziell an der Veranstaltung teilnahmen, war Sr. Maire die einzige Frau. Ich war spürbar geschockt von dem Eindruck, als 100 Paar Arme um uns herum in der Konzelebration in die Höhe flogen. Wäre ich allein gewesen, hätte ich mir vielleicht nichts dabei gedacht. Doch da war Sr. Maire, die als Äbtissin in vielerlei Hinsicht den Rang eines Bischofs inne hatte. Sie war meine geistliche Begleiterin, durfte mir aber nicht die Absolution erteilen. Sie war eine theologisch gebildete, zölibatär lebende Leiterin einer Ordensgemeinschaft und vertrat als Äbtissin, wie es die Benediktsregel sagt, „im Kloster die Stelle Christi“ (RB 2,2); und doch durfte sie nicht in persona Christi konzelebrieren. Ich konnte das alles noch nicht artikulieren, aber nichts davon schien richtig zu sein.

Jahrelang war ich zwischen diesen beiden Polen hin- und hergerissen: dem Gefühl, dass Männer, weil sie das gleiche Geschlecht wie Jesus Christus haben, irgendwie besser ausgestattet sind, um in persona Christi zu handeln, und dem Gefühl, dass die christliche Sakramentalität und das geistliche Leben das Geschlecht transzendieren. „Es gibt weder weiblich noch männlich…“ Ich habe im Großen und Ganzen gute Erfahrungen mit Priestern gemacht und kann viele Priester und Mönche zu meinen Freunden und Kollegen zählen. Ich habe auch keine Berufung zum Priestertum, und fühlte mich deswegen nie persönlich benachteiligt durch die Tatsache, dass Frauen in der katholischen Kirche von der Priesterweihe ausgeschlossen sind. Wie oben erwähnt, wurde ich katholisch, weil ich es für wichtig hielt, Teil einer Kirche zu sein, die die Sakramente zu ihren Grundlagen zählt. Und am Anfang war ich bereit, die Regeln eins zu eins zu übernehmen.

Als Benediktinerin habe ich insgesamt auch die positiven Seiten des katholischen Glaubens erfahren. Die Regel des heiligen Benedikt, die mein klösterliches Leben leitet, legt Wert darauf, dass wir Christus nicht nur in der Äbtissin sehen und uns auf ihn einlassen, sondern auch in den Besucher*innen, den Armen, den Kranken; kurzum: in jedem Menschen. Die Regel betont auch, dass wir alles im Kloster – alle Güter und Talente, die uns anvertraut sind – wie die heiligen Gefäße des Altars behandeln. Es geht darum, dass wir durch das Sakrament der Taufe miteinander das Heilige in unserem gemeinsamen Leben, das von Gebet, Arbeit und Lectio Divina geprägt ist, kennenlernen. Von dort aus gewinnen wir die Perspektive, durch die wir sehen können: alle und alles ist geheiligt – und geweiht.1

Das mag erhaben klingen; und das ist es auch. Gleichzeitig ist es in unserem täglichen Leben verwurzelt. Mit Hilfe von Demut, Geduld und einem Sinn für Humor lernen wir, unsere eigenen Unzulänglichkeiten und die der anderen zu ertragen, und unsere alltäglichen Erfahrungen zeigen uns, dass die Menschheit – die ganze Menschheit! – durch die Menschwerdung und Auferstehung Christi im Innersten verwandelt worden ist. Wir gestalten unser Leben so, dass wir ständig daran erinnert werden, im Licht und in der Wirklichkeit dieses Wandels zu leben.

Und doch: selbst im Kloster, wo wir Ordensfrauen weitestgehend autonom sind, stoßen wir dabei an Grenzen. Es sind oft die kirchlichen Regeln selbst, die uns daran hindern, unser Leben in diesem Sinne zu gestalten. Seit dem Mittelalter waren die Frauenorden gezwungen, zwischen Klausur und Apostolat zu wählen. Die Entscheidung für ein Leben im Kloster war mit einem höheren Status in der Kirche verbunden. Ein aktives Apostolat war mit strenger Klausur nicht zu vereinbaren, doch es erlaubte den Gemeinschaften, die apostolische Arbeit zu tun, zu der sie sich berufen fühlten. Es war ein Entweder-Oder. Für Benediktinerinnen lag darin eine besondere Herausforderung. Unsere Regel fordert ein Gleichgewicht zwischen internem Ordensleben, Gastfreundschaft und Arbeit, und das passt so gar nicht zu der strikten Zweiteilung in kontemplative und aktive Ordenstätigkeit. Bemerkenswert ist übrigens, dass man den Männern, obwohl sie als Benediktiner nach der gleichen Regel leben, nie diese beiden Alternativen als unvereinbar vorgeschrieben hat.

Die ersten Benediktinerinnen in den USA sind ein Musterbeispiel für die Schwierigkeiten, die dadurch entstanden. Sie kamen im 19. Jahrhundert in die Vereinigten Staaten und wurden bei ihrer Ankunft von den örtlichen Bischöfen gezwungen, zwischen der Arbeit, für die sie gekommen waren, und der Beibehaltung ihres kanonischen Stands zu wählen. Sie wählten ihre Arbeit anstatt des Titels. Sie blühten als Kongregation auf; Tausende von Frauen wurden von ihrer Lebensweise angezogen, aber diese Entscheidung senkte ihren Status, trennte sie von ihren Ursprungsgemeinschaften und verhinderte, dass sie das volle Stundengebet2, dem sie zuvor gefolgt waren, beibehalten durften. Vergleichbares geschah auf der ganzen Welt, und die Benediktinerinnen haben noch heute mit Folgewirkungen zu kämpfen.

Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil haben Benediktinerinnen – Schwestern und Nonnen – begonnen, sich gemeinsam zu treffen, um ihre gemeinsamen Wurzeln wiederzufinden. Davor war nicht einmal das erlaubt; wieder: weil die männliche Hierarchie es so wollte. Seit einigen Jahren, und zu Beginn besonders mit der Unterstützung von Männern, die diese Ungerechtigkeiten sehen und beseitigen wollten, finden sich Benediktinerinnen regelmäßig und überall auf der Welt zusammen und entwickeln eine Struktur, in der die Gemeinschaften miteinander verbunden sind. Sie diskutieren Aspekte des benediktinischen Lebens, die uns alle zusammenhalten, und haben allmählich begonnen, die gemeinsame spirituelle Basis, die wir alle teilen, wiederzuentdecken.

All das ist ein gutes Zeichen und man könnte meinen, dass es das Ergebnis einer Veränderung im Herzen der gesamten Kirche war. Im Jahr 2016 wurde es jedoch als Wunschdenken entlarvt. Mit der apostolischen Konstitution Vultum Dei quaerere verkündete der Vatikan, dass alle autonomen kontemplativen Gemeinschaften neue Kongregationen oder Föderationen gründen oder sich bereits bestehenden anschließen müssen.3 Anstatt die betroffenen Gemeinschaften zu konsultieren und anstatt Vertreterinnen dieser Gemeinschaften zu ernennen, um an der Entwicklung dieser neuen Struktur teilzunehmen, hat der gesamte Prozess von oben nach unten stattgefunden. Das hat bei vielen zu Empörung und weitestgehender Missbilligung geführt. Um es klar zu sagen: Die Absicht, dass sich die Ordensgemeinschaften zusammenschließen, ist an sich nicht schlecht. Wie bereits erwähnt, waren die Benediktinerinnen in diesem Prozess bereits sehr weit fortgeschritten und wären viel weiter gewesen, wenn der formale Kontakt zwischen Schwestern und Nonnen nicht von der Hierarchie für Hunderte von Jahren verboten worden wäre. Aber alle Nonnen nur aufgrund der Tatsache, dass sie in Klausur leben, in einen Topf zu werfen, als ob das unser primäres Definitionsmerkmal wäre, und uns dann eine neue Struktur aufzuzwingen, während man sich weigert, Vertreterinnen der Gemeinschaft in den Entscheidungsprozess miteinzubeziehen, ist für Gemeinschaften auf der ganzen Welt schmerzhaft; für die meisten Menschen außerhalb der Kirche ist es ohnehin schwer zu begreifen.

Zugegeben, auch Männer können auf ähnliche Probleme stoßen; es geht nicht nur um die Diskriminierung von Frauen. Ein Unterschied ist jedoch, dass Männer, weil sie ordiniert werden können, auch in diese hierarchischen Strukturen eindringen und Veränderungen durchsetzen können. Frauen sind davon ausgeschlossen, einfach weil sie Frauen sind. Solange wir diese Regeln akzeptieren, bleiben uns die Hände gebunden; wenn es um unser gemeinschaftliches und geistliches Leben geht, bleiben wir dem Wohlwollen ausgeliefert, das Männer gewähren oder verweigern können.

Erfahrungen wie diese machen deutlich, dass Frauen keine Stimme in der Kirche haben. Es sind diese offensichtlichen Ungerechtigkeiten und das Gefühl, von der männlichen Hierarchie nicht ernst genommen zu werden, weshalb immer mehr Ordensfrauen allergisch auf ordinierte Kleriker reagieren. Schon die Tatsache, dass ein Mann hinzugezogen werden muss, um die Messe zu feiern, die Beichte zu hören, die Krankensalbung zu spenden und Segnungen zu erteilen, ist in diesem Zusammenhang schwer zu akzeptieren.

In meiner Gemeinschaft hatten wir bereits vor Corona damit begonnen, die Anzahl der Messen zu reduzieren und sicherzustellen, dass es wenigstens ein paar Tage im Monat gab, an denen wir einen Wortgottesdienst feierten. Als die Covid-19-Beschränkungen in Kraft traten, entschlossen wir uns, nur noch zweimal in der Woche eine Messe zu feiern; donnerstags und sonntags. An den anderen Tagen hören wir die täglichen Messlesungen während der Terz, und die Äbtissin oder eine andere Schwester hält eine Homilie. Obwohl der Verzicht auf die Eucharistie in vielerlei Hinsicht ein Opfer ist, reduziert dies unsere Abhängigkeit von den Priestern und gibt der gewählten geistlichen Leiterin den Raum, um der Gemeinschaft und den Gästen in einem liturgischen Kontext spirituelle Impulse anzubieten. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, denn es wäre deutlich schlechter gewesen, für die tägliche Messfeier einen Priester von außerhalb in unsere Gemeinschaft importieren zu müssen, oder – noch schwieriger – einen Kaplan dauerhaft bei uns wohnen zu lassen.

Was bedeutet das alles für uns – was bedeutet es für mich? Zum einen bleibe ich zurück mit vielen Freunden und Freundinnen, die nicht verstehen, wie ich mich so mit dieser Kirche verbinden und so viel in sie investieren kann. Obwohl ich und andere Ordensleute wahrscheinlich noch um einiges länger innerhalb der Kirche bleiben und mit der Institution ringen werden, finden wir Wege, unsere Berufung, Kirche zu sein, auf eine selbstständigere Weise zu leben. Die meisten anderen Menschen, die ich kenne, ignorieren einfach die Position der Kirche zu Geschlecht und Sexualität, weil sie sie nicht ernst nehmen können. Ihre Ablehnung ist nicht mit Kampf oder Gewalt verbunden. Sie bleiben auch nicht in der Kirche, um zu sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Warum sollten sie auch? Sie haben nicht einmal so viel Interesse, um die Energie aufzubringen, für einen Wandel in der Kirche zu kämpfen.

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