Читать книгу Angehörigenbegleitung und Krisenintervention in der Notaufnahme - Группа авторов - Страница 23
1.6.3 Aktives Zuhören als Grundlage, Haltung und Methode in der Gesprächsführung
ОглавлениеWahrscheinlich erleben viele das Zuhören, vor allem im Berufsalltag in einer Notaufnahme, kaum als einen eigenen bewussten Vorgang der Kommunikation, sondern eher als Reaktion auf eine Situation, welche eine erhöhte Aufmerksamkeit erfordert (z. B. bei der Übergabe durch den Rettungsdienst).
Dabei ist das Zuhören neben dem Senden der Nachricht die wichtigste Funktion in der Kommunikation. Von Watzlawick haben wir gehört, dass Kommunikation eine Interaktion von Individuen bedeutet, welche sich wechselseitig im Verhalten beeinflussen und aufeinander reagieren (Watzlawick et al. 2017).
Auch Schulz von Thun baut den Aspekt des Zuhörens in seine Theorie mit ein. So kann der Empfänger einer Nachricht diese mit vier möglichen »Antennen« (Vier-Ohren-Modell) empfangen und entscheiden, welcher der vier Aspekte für ihn im Vordergrund steht.
Insbesondere der Beziehungscharakter und die Selbstoffenbarungssignale können in der Kommunikation oft nicht eindeutig zugeordnet werden. Aber genau diese Zuordnung einer Botschaft entscheidet letztendlich über das Gelingen eines Gespräches, also darüber, ob sich der Gesprächspartner verstanden fühlt.
Der Begriff des aktiven Zuhörens wurde von Carl Rogers in der klientenzentrierten Psychotherapie als Werkzeug beschrieben (Rogers 1983). Dabei hört der Therapeut überwiegend mit dem Selbstoffenbarungsohr und reagiert gefühlsbetont auf die Botschaften des Klienten. Das Ziel des Therapeuten ist es, sich in die Gefühls- und Gedankenwelt des Klienten einzuspüren.
Über den therapeutischen Kontext hinaus wird das aktive Zuhören auch in der Personalentwicklung, in Deeskalationsstrategien und eben auch bei Klienten-, Patienten- und Angehörigenkontakten im Gesundheitswesen angewandt.
Zur Grundhaltung des aktiven Zuhörens gehören laut Rogers (1983) Akzeptanz und Wertschätzung, eine offene Grundhaltung und Empathie sowie Kongruenz und Authentizität.
Akzeptanz und Wertschätzung beinhalten die wertfreie Annahme der Äußerungen des Gesprächspartners als dessen Realität. Annahme bedeutet hier jedoch nicht, dass die Vorstellungen und Ansichten übernommen werden sollen. Die Akzeptanz drückt sich in einer überdauernden positiven Einstellung gegenüber dem Gesprächspartner aus, von dessen jeweiligem Verhalten nicht beeinflusst wird.
Empathie bezeichnet die Fähigkeit, sich in die Einstellung anderer Menschen einzufühlen. Dieses Einfühlen ist nicht zu verwechseln mit dem Mitfühlen, wie z. B. Mitleid. Es geht vielmehr um das Verstehen der Welt aus der Sicht des Gesprächspartners.
Kongruenz wird oft mit Echtheit oder Wahrhaftigkeit gegenüber dem Gesprächspartner definiert. Die geforderte Übereinstimmung bezieht sich hierbei auf die Konformität von innerer Haltung, Gefühlen sowie dem Verhalten gegenüber dem Gesprächspartner.
Merke
Aktives Zuhören ist verantwortungsbewusste Gesprächsführung, die auf Akzeptanz, Empathie und Kongruenz aufbaut.
Die Methode des aktiven Zuhörens besteht aus den folgenden Elementen:
• Keine Unterbrechung. Das bedeutet u. a., sich gegenseitig ausreden zu lassen und innerlich auf das Empfangen von Botschaften umzuschalten. Dabei soll gewährleistet sein, dass keine Unterbrechung der Kommunikationssituation von außen stattfindet.
• Wertschätzende Signale. Diese werden sowohl nonverbal als auch verbal übermittelt. Nonverbal bedeutet, sich dem Gegenüber durch eine zugewandte und offene Körperhaltung zu präsentieren. Dabei sind Gesicht und Hände sichtbar und signalisieren eine Offenheit für die Botschaften des anderen. Auch über die Augen wird das Interesse an der Kommunikation signalisiert. Dies geschieht über lebendigen Augenkontakt, ohne den Gesprächspartner dabei permanent zu fixieren.
Verbal kann die Wertschätzung über kurze Bestätigungslaute wie ah, hm, ach mit emotionaler Betonung oder auch nur durch ein zustimmendes Brummen geäußert werden.
Gerade der verbale Teil der Kommunikation im Sinne des aktiven Zuhörens wird als der schwierigste und der am wenigsten den üblichen Gesprächsmustern entsprechende Teil bezeichnet. Er dient den zwei Zielen Verständnis sicherzustellen und Gefühle zu verbalisieren.
Der Zuhörer überprüft, ob er wirklich alles inhaltlich so verstanden hat, wie es vom Sprecher gemeint ist. Dazu fasst er die Kernaussage zusammen und formuliert sie prägnant und präzise. Dies erfolgt z. B. mit Sätzen wie:
• »Habe ich Sie dabei richtig verstanden, dass…«
• »Wenn ich das Gesagte kurz zusammenfassen darf, habe ich verstanden…«
• »Sie meinen also…«
• usw.
Die Verbalisierung von Gefühlen kann nur auf einer vertrauensvollen und tragfähigen Beziehung zum Erfolg führen – d. h., dass der Gesprächspartner sich darauf einlässt. Dieser Teil des aktiven Zuhörens ist wahrscheinlich in der Angehörigenkommunikation mit meistens fremden Menschen nicht immer vollumfänglich möglich und angebracht, aber dennoch denkbar wie z. B. im deeskalierenden Gespräch oder mit bekannten Angehörigen, welche sich in einer emotionalen Ausnahmesituation befinden. Dabei gilt auch hier das Prinzip der wertschätzenden Haltung und Achtsamkeit.
Hilfreich können dabei folgende Sätze sein:
• »Sie wirken sehr besorgt darüber…«
• »Sie wirken auf mich sehr verärgert…«
• »Ich habe den Eindruck, Sie haben da noch Zweifel…«
• usw.
Wichtig dabei ist eine Echtheit der Rückmeldungen. Diese sollen nicht aufgesetzt als Floskel wirken, sondern ein wirkliches Interesse des Zuhörers spiegeln. Seien Sie dabei trotzdem gedanklich bei Ihrem Kommunikationspartner und nicht bei der Frage, welcher Satz nun jetzt am besten klingt.
Merke
Aktives Zuhören muss, wie jede Kommunikationstechnik, geübt werden, um es im Alltag sicher zu beherrschen. Reflektieren Sie dabei stets Ihre innere Haltung und überprüfen Sie Ihre Kongruenz und Offenheit.