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6. Beliebige Solidarität

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Gibt es in einer liquiden Gesellschaft überhaupt etwas anderes als temporäre Vergemeinschaftungen? „Europa-Tage“, mit Prospekten, Schokolade und Hupfburg für die Kinder, sind nicht nur dazu da, den Rausch von Stunden zu vermitteln, sondern das Bewusstsein des Ewigen zu feiern und zu festigen. Wir haben es offensichtlich mit Gemengen und Überlagerungen von „echten“ Gemeinschaften, „loseren“ Vergemeinschaftungsformen und „temporären Vergemeinschaftungen“ zu tun; oder auch: kurzfristige temporäre Vergemeinschaftungen im Dienste der Verstärkung längerfristiger Assoziierungsformen oder gar dauerhaft gemeinter Zusammenschlüsse. Feste, welche auf Authentizität aufbauen, sie allenfalls aber auch erst erzeugen sollen. Events, die der Ewigkeit zuarbeiten sollen.

Das Unverfügbare an der Gemeinsamkeit kann eine ganz unterschiedliche Reichweite aufweisen. Während sportliche Veranstaltungen in einem hohen Maße vor dem Bild nationalstaatlicher Fragmentierungen oder sogar lokaler Zugehörigkeiten (unser Fußballverein aus dem Dorfe; unsere Feuerwehr im Landeswettbewerb) gedeutet werden, werden kulturelle Veranstaltungen in ganz unterschiedliche Muster eingeordnet. Da gibt es bayerische Musikkapellen und tirolerische Singgruppen, aber als Heavy Metal- oder Hip-Hop-Fan fühlt man sich in einer weltweiten Community zuhause und hat mit jenen, die sich am Samstag in einem „Musikantenstadl“ begeistern oder ihr Abonnement im Konzertverein einlösen, nichts gemein. Die Zugehörigkeit zu solchen Communities ist eine „ernsthafte“ Angelegenheit, keine bloße Oberflächlichkeit; schließlich wird aus solchen Zugehörigkeiten (wie auch mit Hilfe von konsumistischen Accessoires) die persönliche Identität geschaffen, und mit den einschlägigen Fans ist man in aller Welt verbunden, innerlich und über das Internet. Man taucht auch nicht einfach aus der Masse wieder auf und hat mit ihr nichts weiter zu tun. Zum Heavy Metal-Konzert geht man nicht, weil man gerade nichts Besseres zu tun hat; sondern weil das Bekenntnis zu dieser Musik untrennbares Merkmal der eigenen Identität ist; die „Schlagerparade“ ist keine Alternative. Mit der Identität kennen Spaßgesellschaften keinen Spaß. Snowboarder sind nicht eine andere Art Schifahrer. Stile sind nicht Oberflächenerscheinungen, sie lösen gar „style wars“ aus. „Brand communities“ sind nicht Geschmacksfragen, sondern werden als Wesensfragen betrachtet; was zeigt, dass es auch eine Umdeutung der Substanzlosigkeit in Substanz geben kann – und da diese substanzlose Substanz für den Einzelnen durchaus wichtig und hilfreich sein kann, lassen sich Substanz und Inhaltslosigkeit gar nicht so leicht unterscheiden.

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