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Vereinfachte Erzählungen

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Bereits in den 1970er-Jahren begann Ghana damit, sein nationales Erbe, soweit es mit dem transatlantischen Sklavenhandel in Verbindung steht, zu erschließen. Heute besichtigen dunkelhäutige Touristen vor allem vom amerikanischen Kontinent die Forts Elmina und Cape Coast, um ihren Vorfahren, die nach Amerika verschleppt wurden, die Ehre zu erweisen. Die ghanaischen Fremdenführer verbinden die öffentliche Erinnerung an die Sklaverei mit den Imperativen der Tourismusindustrie, wenn sie, um das internationale Publikum zufriedenzustellen, die Geschichte des transatlantischen Sklavenhandels so darstellen, dass dabei die Leiden der Afrikaner unter der Knute der Europäer betont werden, und sie es zugleich vermeiden, die afrikanische Beteiligung am Sklavenhandel zu erwähnen. Diese vereinfachten Versionen verhindern das Entstehen von Konflikten zwischen den verschiedenen lokalen Gruppierungen, zu denen sowohl Nachkommen aus der Region als auch solche zählen, die erst aus dem Norden des Landes an die Küste verbracht wurden. Das Beiseitelassen bestimmter Elemente hat auch mit den speziellen Anforderungen der Tourismusindustrie zu tun, die Besuche der Forts anbietet. Wie das Haus der Sklaven auf der Insel Gorée haben auch die Forts Elmina und Cape Coast seit 1990 hochrangigen Besuch bekommen, so etwa die ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush sowie Barack Obama mit Familie.

1992 haben die Veranstaltungen zum Gedenken der Landung Christoph Kolumbus‘ in Amerika die entscheidende Rolle der aus Afrika herbeigeschafften Sklaven beim Aufbau des amerikanischen Kontinents sichtbar gemacht. Auf Vorschlag Haitis startete die UNESCO 1994 in Ouidah (Benin) ein internationales Projekt namens „Sklavenstraße“. Seinerzeit war Benin, das ehemalige Dahomey, bemüht, seine Wirtschaft mithilfe der Tourismusindustrie zu entwickeln, und in diesem Rahmen ist der transatlantische Sklavenhandel zu einem zentralen Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzung geworden. Im Land gab es noch Nachkommen der Königsfamilie, die seinerzeit Gefangene, die sie im Rahmen von Kriegszügen gemacht hatte, als Sklaven über den Atlantik verkaufte. In der Bevölkerung und auch unter führenden Lokal- und Regionalpolitikern fanden sich Abkömmlinge von Sklavenhändlern und verschiedenen Mittlerpersonen. Dazu kamen Nachfahren von Sklaven, die aus Brasilien zurückgekehrt waren und sich im Lauf des 19. Jahrhunderts wieder in der Gegend niedergelassen hatten. Deshalb initiierte die Regierung von Benin auch gleich ein Festival für Voodookunst und -kultur, das den verschiedenen Gruppen die Möglichkeit gab, sich ohne politische Konflikte zusammenzufinden. Schließlich wurden das Festival und das Projekt der Sklavenstraße miteinander verknüpft. Die Organisatoren des Festivals errichteten als Sklavenstraße eine Wegstrecke aus gestampfter Erde, die von der Stadtmitte von Ouidah zum Strand führte. Etwa 100 Denkmäler, die an den transatlantischen Sklavenhandel erinnern, wurden entlang des Wegs aufgestellt. Zu diesen zählte auch das von der UNESCO finanzierte Tor ohne Wiederkehr. Ouidah ist zum Beispiel für die Bedeutung der UNESCO in der Region geworden, aber auch dafür, wie sehr das Gedächtnis und das kulturelle Erbe, die der Sklavenhandel hinterlassen hat, kommerzialisiert werden können.

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