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Das Rote Kreuz oder: das Humanitäre auf dem Prüfstand

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Das Rote Kreuz, von der Gestalt des barmherzigen Samariters angeregt, wurde 1863 in Genf in dem Bestreben gegründet, den Kriegsverwundeten gleichgültig welchen Lagers beizustehen. Es ist heute auf der ganzen Welt präsent und steht vor einem Dilemma: Wie weit kann die Neutralität gehen?

Werbeplakat des Amerikanischen Roten Kreuzes während des Ersten Weltkrieges aus dem Jahr 1917.

„Die Leichen und die Verwundeten liegen ununterscheidbar auf dem Boden: die Hirne quellen hervor, die Glieder sind gebrochen und zermalmt. […] die Erde ist buchstäblich mit Blut getränkt.“ Mit diesen Worten beschrieb der Genfer Henry Dunant die Schrecken einer Schlacht, deren Zeuge er 1859 geworden war. Henry Dunant ist ein Europäer avant la lettre, Kaufmann, Christ, Humanist und Pazifist. Sein Werk Eine Erinnerung an Solferino schildert die 9000 Verwundeten beider Lager, die in einem Gewirr mit dem Tod ringen, sowie die Bauern, die beschließen, ihnen unabhängig von ihrer Uniform unter dem Banner tutti fratelli (allesamt Brüder) Beistand zu leisten. Das Buch löste Emotionen aus, eine Bewusstwerdung der Verheerungen, die mit dem Fortschritt der Rüstung zusammenhängen, und ermöglichte die Gründung eines internationalen Komitees der Hilfsgesellschaften für die Verwundetenpflege.

Die internationale Organisation des Roten Kreuzes spiegelt den philanthropischen Diskurs des 19. Jahrhunderts wider und wurde seit ihrer Gründung von der Gestalt des barmherzigen Samariters inspiriert: Der verwundete Kämpfer gehört keinem Lager mehr an, sondern der Menschheit als solcher. Sie wird als eine Form eines alternativen Kreuzzugs etabliert und beruft sich auf dieselben Werte, das Christentum, und dasselbe Wahrzeichen, das Kreuz. Sie ist aus den Kriegen hervorgegangen, die den Kontinent zerfleischen, und wurde anfänglich als Ausdruck des Gewissens und sogar der moralischen Überlegenheit Europas hingestellt. Ihr Ziel ist es, den Opfern bewaffneter Konflikte beizustehen, ohne dabei zu versuchen, den Krieg, der als unvermeidlich angesehen wird, zu verhindern. Die Ambition ist zugleich edelmütig und paradox, geht es doch in gewisser Weise darum, den Krieg zu zivilisieren.

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