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1.3 Veränderungen von Peerbeziehungen von der Kindheit zur Jugend
ОглавлениеFreundschaftsbeziehungen unter Jugendlichen sind typischen normativen Veränderungsprozessen unterworfen, also Veränderungen, die in der Regel alle Jugendlichen betreffen. Im Jugendalter müssen sich Menschen mit erheblichen biologischen, psychologischen und sozialen Veränderungen auseinandersetzen (Gniewosz & Titzmann, 2018). Biologische Veränderungen umfassen vor allem die körperliche Reifung (z. B. Ausbildung sekundärer Geschlechtsmerkmale), assoziierte hormonelle Prozesse sowie neurophysiologische Veränderungen im Gehirn (Fuhrmann, Knoll & Blakemore, 2015; Kulin & Müller, 1996). Daneben kommt es zu sozialen Veränderungen, die sich beispielsweise in einer Neuaushandlung von Autonomie und Verbundenheit mit Eltern und Peers zeigen (Allen, Hauser, Bell & O’Connor, 1994; Brown & Klute, 2008). Kognitive Veränderungen zeigen sich in einem verbesserten strategischen Denken sowie einer verbesserten Emotions- und Selbstregulation (Larson, 2011; Steinberg, 2015).
Studien, die diese kognitiven Veränderungen untersuchten, zeigten mithilfe von Hirnscans, dass das neuronale Belohnungssystem – der Teil des Gehirns, der die Entscheidungsfindung basierend auf Belohnung und Bestrafung beeinflusst – schneller reift als das System zur kognitiven (Selbst-)Kontrolle, welches Verhaltensimpulsive reguliert. Diese Unterschiede führen dazu, dass Jugendliche in dieser Entwicklungsphase eine erhöhte Sensitivität für Belohnungen aufweisen, aber weniger kognitive Kontrolle über Impulse ausüben können (z. B. nachdenken über Konsequenzen des eigenen Tuns). Diese Diskrepanz zwischen der Suche nach Stimulation (Belohnungssystem) und dem Abwägen der Folgen (verzögerte Kontrolle) wird mit einem stärkeren Risikoverhalten (Rauchen, riskante sportliche Aktivitäten, Mutproben) in Zusammenhang gebracht (Steinberg, 2015).
Die beschriebenen biologischen, psychologischen und sozialen Veränderungen des Jugendalters gehen außerdem damit einher, dass sich der junge Mensch neuen Entwicklungsaufgaben gegenübersieht. Entwicklungsaufgaben sind Aufgaben, die gesellschaftliche Erwartungen darüber widerspiegeln, welche Entwicklungsschritte in bestimmten Lebensphasen erreicht werden sollten (Hutteman et al., 2014). Aus der Lösung von Entwicklungsaufgaben geht die Person in der Regel mit gestärkten Kompetenzen hervor, die in der jeweiligen Lebensphase bedeutsam sind, wie z. B. physischer, sozialer, intellektueller oder emotionaler Fähigkeiten (Havighurst, 1972). Eine zentrale Entwicklungsaufgabe des Jugendalters ist, eine neue Qualität in Freundschaftsbeziehungen zu entwickeln (Havighurst, 1972). Während in der frühen Kindheit Freundschaften vor allem durch gemeinsame Aktivitäten definiert sind, werden Freundinnen und Freunde in der Jugend zunehmend zu Vertrauten mit gegenseitiger Offenbarung und gegenseitiger stabiler, emotionaler Bindung (Epstein, 1989; Hartup & Stevens, 1997). Mit abnehmender Abhängigkeit von den Eltern gewinnen die Beziehungen zu Gleichaltrigen zunehmend an Bedeutung für die weitere Entwicklung der Jugendlichen (Brown & Klute, 2006; Steinberg & Silverberg, 1986). Beginnend mit der Präadoleszenz (neun bis zwölf Jahre) werden Freundschaften wichtig, um Bedürfnisse nach Intimität, Akzeptanz und Gemeinschaft zu erfüllen. Diese Bedürfnisse werden zunächst hauptsächlich in gleichgeschlechtlichen Freundschaften befriedigt, im späteren Jugendalter dann aber auch in gegengeschlechtlichen und romantischen Beziehungen. Emotionale (nicht jedoch instrumentelle) Unterstützung durch das Elternhaus nimmt im frühen Jugendalter ab und die Unterstützung von Freundinnen und Freunden wird wichtiger (del Valle, Bravo & López, 2010). Dennoch bleibt elterliche Unterstützung der beste Prädiktor für geringe emotionale Probleme im Jugendalter (Helsen, Vollebergh & Meeus, 2000).
Die Stabilität und die Reziprozität (das Ausmaß gegenseitigen Investments in die Beziehung) innerhalb von Freundschaften nimmt während des Jugendalters zu (Epstein, 1983). Freundschaften im Jugendalter sind außerdem durch zunehmende Intimität gekennzeichnet, die sich u. a. in Direktheit und Spontaneität, Verständnis des oder der anderen, Gefühlen der Verbundenheit, Exklusivität der Beziehung, Teilen sowie Vertrauen und Loyalität zeigt (Sharabany, 1994). Allerdings gibt es hier Geschlechtsunterschiede – Freundschaften zwischen Mädchen zeichnen sich im Mittel durch höhere Intimität aus als die zwischen Jungen (Rudolph, Ladd & Dinella, 2007), was darauf zurückgeführt wird, dass Mädchen sich stärker als Jungen über ihre Gefühle austauschen (Rose, 2002).