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4 Der Interaktionsraum und seine Anwendbarkeit
ОглавлениеEs kann festgehalten werden, dass das hier diskutierte Modell eines überregionalen literarischen Interaktionsraums trotz des Bezugs auf das mit Kärnten verbundene zweisprachige literarische Feld über kein (echtes) topographisches Korrelat verfügt und auf handlungsorientierten und kommunikativen Raumpraktiken basiert, innerhalb derer es zum Transfer von (literarischen) Repertoires und Modellen kommt. Der Interaktionsraum kann als Produkt räumlich-sozialer Praxis konkreter Akteur_innen und Institutionen aufgefasst werden, als ein spezifischer, gesellschaftlich hervorgebrachter Raumcode, der dekodiert werden kann. Konzeptuell ist er in den postnationalen und postmonoligualen Zugängen verankert und bildet als solcher eine Ergänzung oder Alternative zu jenen raumbasierten literaturwissenschaftlichen Ansätzen, die von essentialistischen Kategorien wie Sprache, Nation und Identität, oder von topographischen Kriterien ausgehen. Ein wesentliches Merkmal des Modells ist, dass es die Erfassung empirischer Daten erforderlich macht, die im Falle eines relativ überschaubaren Interaktionsraums, wie er ausgehend von der literarischen Praxis der Kärntner Slowen_innen konzipiert wurde, systematisch evidentiert werden können.
Wie gerade der von ideologischen und sprachpolitischen Konflikten und Ängsten geprägte zweisprachige Kärntner Raum zeigt, hat das Modell den Vorteil, dass auf personenbezogene ethnische, sprachliche oder die Identität betreffende Zuweisungen weitgehend verzichtet werden kann. Fragen der Identität, der Zugehörigkeit, der Zwei- und Mehrsprachigkeit, der Sprachmischung, des Sprachwechsels, der Peripherie, der Abhängigkeit, der Ideologie, des Wissens, der Erinnerung bis hin zur Diskussion von Zwischenräumen, Übergangsräumen, Grenzräumen, postkolonialen Verhältnissen und Diversität können als Teil der empirisch erfassbaren Handlungen und Diskurse aufgefasst und zusammen mit Fragen des kulturellen und literarischen Transfers schlicht als raumkonstitutiv bzw. als Teil sozialer und literarischer Praxis verhandelt werden.
Der Interaktionsraum erlaubt es, problembehaftete Begriffe wie Nationalliteratur oder Minderheitenliteratur zu hinterfragen und zu umgehen. Er macht soziale und literarische Praxen sichtbar, die gängige Ordnungen und Konventionen unterlaufen, und ist nach allen Richtungen hin prinzipiell offen und erweiterbar. Er kann ebenso auf Interaktionen im Bereich des Theaters, des Films oder der Musik angewendet werden wie auch auf andere literarische, kulturelle oder soziale Kontexte, bei denen eine ähnliche Spezifizierung möglich ist, wie im Fall der Literatur der Kärntner Slowen_innen.