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Im Allgemeinen wird unter der Bezeichnung ‚Kärntner slowenische Literatur‘ die literarische Produktion der slowenischen Minderheit in Kärnten verstanden, die üblicherweise sowohl dem österreichischen als auch dem slowenischen literarischen Feld zugerechnet wird. In Slowenien gilt die Literatur der Kärntner Slowen_innen aufgrund sprachlicher, kultureller, ethnischer und historischer Gemeinsamkeiten als integraler Teil der ‚gesamtslowenischen‘ Literatur, einem Konzept, das auch von der slowenischen Literaturgeschichte vermittelt wird (vgl. Grafenauer 1946: 284; Paternu 1973: 95) und das mit der heute noch verbreiteten Vorstellung von der Existenz eines ‚gemeinsamen slowenischen Kulturraums‘ (skupni slovenski kulturni prostor) korreliert (vgl. Vidmar 1984: 216–218). Die Zugehörigkeit dieser Literatur zur slowenischen Literatur wurde nie in Zweifel gezogen, jedoch attestierte man ihr aufgrund der Trennung vom zentralslowenischen Raum und der unterschiedlichen Entwicklung nach 19201 eine gewisse Eigenständigkeit (vgl. Kmecl 1973, Kmecl 1979), die an sprachlichen, stilistischen, typologischen und thematischen Besonderheiten festgemacht werden kann (vgl. Detela 1992). Seit den 1970er Jahren wird sie zudem unter dem Sammelbegriff ‚slovensko zamejsko slovstvo‘ (Pogačnik 1972: 5–6) geführt, der die ans slowenische ‚Mutterland‘ (matica) angrenzenden Literaturen der in den Nachbarländern (‚hinter den Grenzen‘) lebenden slowenischen Minderheiten bezeichnet.Strutz, Johann2 Auch die österreichische Slowenistik umriss die Literatur der Kärntner Slowen_innen als Teil des regionalen kulturellen Lebens der autochthonen Volksgruppe, die sich um Kontakt zum österreichischen wie auch zum slowenischen Literaturraum bemühte (Prunč/Hafner 1976: 671–683; Zablatnik 1985: 212–213). Mit dem politischen Umbruch in Europa und dem Zerfall Jugoslawiens wurde der Sinn einer strikten Trennung der slowenischen Literatur entlang von Staatsgrenzen zwar hinterfragt, jedoch wurde am Modell, dass es sich bei der Literatur der Kärntner Slowen_innen „um eine der regionalen Spielarten der gesamtslowenischen literarischen Kultur“ (Paternu 1991: 154) handle, festgehalten. Wie in den 1980er Jahren, dem „Goldenen Dezennium“ (Hafner 2009: 140) der Kärntner slowenischen Literatur, machen sich innerhalb dieser Kultur vor allem jene Autor_innen einen Namen, die in slowenischer Sprache schreiben. Die einzige Ausnahme ist Maja HaderlapHaderlap, Maja, deren deutschsprachiges Schaffen im slowenischen Zusammenhang aufgrund der vorhandenen Übersetzungen ins Slowenische in jüngster Zeit viel Beachtung findet, sich aber auch nahtlos in die Diskussion um eine Erweiterung des Begriffs ‚slowenische Literatur‘ einfügt.Hladnik, Miran3

Da vor allem die jüngeren zweisprachigen Kärntner Autor_innen die Möglichkeit nutzten, in beiden Sprachen zu schreiben und zu publizieren, sprach Johann StrutzStrutz, Johann bereits in den 1990er Jahren von einer ‚Entregionalisierung‘ der slowenischen Literatur in Kärnten, die auch Rückwirkungen auf die literarische Produktion habe (Strutz 1998: 27–28). Heute lässt sich diese Deregionalisierung in ihrer vollen Ausprägung beobachten. Will man die Literatur der Kärntner Slowen_innen in allen ihren Formen erfassen, reicht es daher nicht mehr aus, sie als Produkt einer ethnischen, sprachlichen, regional verankerten Minderheit zu beschreiben, die an den Schnittstellen des österreichischen und des slowenischen Literatursystems verortet ist. Die veränderten Produktions-, Distributions- und Rezeptionsbedingungen, die allgemeinen sozialen und gesellschaftlichen Veränderungen, die neuen kommunikationstechnologischen und medialen Möglichkeiten sowie die gesteigerte Mobilität von Autor_innen führen auch dazu, dass man im Grunde nur noch bedingt von ‚der‘ oder ‚einer‘ Kärntner slowenischen Literatur sprechen kann. Auch erscheint es keineswegs klar, welche Autor_innen oder Einzeltexte ihr zugezählt werden können, zumal vorübergehend oder auf Dauer in Kärnten lebende Autor_innen aus Slowenien maßgeblich an der slowenischen Literaturproduktion beteiligt sind, während einige Kärntner slowenische Autor_innen (fast) nur auf Deutsch schreiben und ihren Lebensmittelpunkt seit geraumer Zeit nicht mehr in Kärnten haben. Hinzu kommen Autor_innen verschiedenster Provenienz, die nicht slowenischsprachig sind, die aber in ihren Texten auf den zweisprachigen Raum, die Lebenswelt, die Geschichte, die Erinnerungsnarrative und die Literatur von Kärntner Slowen_innen Bezug nehmen und in ihren Texten Verfahren literarischer Zwei- und Mehrsprachigkeit anwenden.Srienc, DominikKöstler, Erwin4

Literarische Mehrsprachigkeit im österreichischen und slowenischen Kontext

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