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5 Französisch am aufklärerischen Wissensort: die Bibliothek

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Abb. 5:

Des Pepliers, Grammaire Royale. Berlin: Haude 1753.

Mit einer neuen Bildsprache1 versucht das Frontispiz der Ausgabe von 1746 bzw. von 1753 des Haude Verlags auf die Lektionen der Grammaire Royale vorzubereiten. Um die Mitte des Jahrhunderts sind die Elemente der ursprünglichen Szene vom ausgehenden 17. Jahrhundert reduziert auf die Allegorien „Diligentia“ und „Constantia“ im rechten Hintergrund. Die überdimensional große Athene, die, der aufkommenden Graecophilie geschuldet, wieder im Frontispiz auftritt, hat allerdings ihren Speer abgelegt und führt den fürstlichen Knaben an jenen Ort, an dem der optimistische Fortschrittsglaube der Epoche seine aufklärerische Wissensbasis findet, die Bibliothek. Die preußische Schlossbibliothek, 1658 nach dem Dreißigjährigen Krieg vom Großen Kurfürsten eingerichtet, um das vorhandene Wissen zu sammeln, wird nun in einen Zusammenhang mit dem Erlernen der französischen Sprache gesetzt. Das Lehrbuch Des Pepliers‘ ermöglicht unter der Führung der Göttin Athene den Zugang zur französischen Sprache und erschließt damit sogar das universelle Wissen der Epoche. Der Prinz, der die französische Sprache lernen und damit Zutritt zu einem aufgeklärten Wissen erhalten soll, weist mit der linken Hand zugleich zurück auf ein Puttenpaar, das den auf Horaz zurückgehenden poetologischen Leitspruch „charmant et utile“ anzeigt – eine Rokoko-Variante des didaktischen Topos vom nützlichen und angenehmen Fremdsprachenlernen ,en riant‘. Der Prinz trägt den Schwarzen Adlerorden und ist nun ebenso deutlich individuell dargestellt wie der Landesherr2 in einem Kranz von Lorbeer, Beeren, Pauken, Trompeten, Degen und Kanonen. Mit modischem Dreispitz, Jabot und Haarzopf, mit Harnisch und Schärpe, trägt er die Züge Friedrichs Wilhelm I., des Soldatenkönigs. Die Adlerköpfe über ihm haben deutlich aggressive Züge angenommen. Der junge Prinz hat die Prunkuniform abgelegt, ist sozusagen dem militärischen Drill seines Vaters entkommen und deutet in seinem modischen justeaucorps und dem zierlichen Tanzschritt auf die schöngeistigen Interessen des Kronprinzen und das von ihm angestrebte Verhaltensideal des honnête homme. Kronprinz Friedrich II., der spätere König Friedrich der Große, eignete sich als der frankophilste Repräsentant der Hohenzollern-Dynastie perfekt als Vorbildfigur für das Erlernen der französischen Sprache. Schon als Kronprinz hatte er eine reiche Bibliothek zusammengetragen, in der die Autoren des Grand Siècle und die Hauptwerke der Frühaufklärung dominierten. Fénelons Abenteuer des Télémaque, an denen der Kronprinz seinen farbigen und bildkräftigen Stil schulte, waren allerdings nur noch ein Band in der Bibliothek, keine anschaulich dargestellte Szene mehr. Der Leitspruch charmant et utile“ auf der rechten Bildtafel charakterisiert auch das klassische und aufklärerische Stil- und Eloquenzbewusstsein des Kronprinzen. Damit ist das Frontispiz in einer preußischen Gegenwart angekommen, ab der es allmählich aus dem Fremdsprachenlern-Diskurs verschwinden wird. Allerdings, die pädagogisch-mythologische Dreiecksgeschichte, die um die Mitte des 18. Jahrhunderts aus den Titelkupfern des Lehrbuchs zugunsten einer panegyrischen Darstellung des Landesherrn verschwindet, lebt weiter im Französischunterricht als eine bevorzugte pädagogische Lektüre. Als Einführung in die griechische Mythologie sowie als repräsentatives Werk der französischen Klassik und als eine innerfranzösische Kritik am autoritären und aggressiven Absolutismus Ludwigs XIV. zieht Fénelons Télémaque in die preußische Gelehrtenschule3 ein. Und noch um die Wende zum 19. Jahrhundert ist Fénelons Télémaque zusammen mit Voltaires Versepos La Henriade dort das am häufigsten benutzte Werk in den frühen schriftlichen und mündlichen Abiturprüfungen, bis es schließlich ganz aus dem Französischunterricht verschwindet (Kuhfuß 2012, 75-86).

Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart

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