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1 Französischlernen à la Cour

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Die Titelformulierung in Des Pepliers‘ Lehrbuch Grammaire Royale in der Auflage von 1693 begründet die autobiographische Legende, die der Autor selbst geschaffen hat: „Des Hertzogs von Burgund Hofmeister“. Mit dem Duc de Bourgogne konnte in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts nur Louis, Dauphin von Frankreich, Herzog von Burgund (* 6. August 1682 in Versailles; † 18. Februar 1712 in Marly-le-Roi), der älteste Sohn des französischen Thronfolgers Louis de Bourbon und der älteste Enkel Ludwigs XIV. gemeint sein.1 Außer dieser Selbstzuschreibung weiß man nichts von Des Pepliers‘ Leben und deshalb darf man dieser Tätigkeitszuschreibung stark misstrauen.2 Der Autor spielt mit dem höchsten Berufsbild für einen zeitgenössischen Sprachmeister, denn eigentlich hatte Fénelon, der Erzbischof von Cambrai, für die hervorragende Erziehung des jungen Prinzen gesorgt. In diesen hocharistokratischen Kreis zielt Des Pepliers mit seiner autobiographischen Angabe; auch die Titelformulierung Grammaire Royale (,royal‘ heißt im zeitgenössischen Sprachgebrauch königlich, aber auch exzellent3) und die Illustration gehen in die gleiche Richtung – ohne ihn allerdings zu genau festzulegen: Eine kalkulierte Uneindeutigkeit.

Abb. 1:

Des Pepliers, Grammaire Royale. Berlin: Völcker 1693.

Das Frontispiz (Abb. 1) zeigt die pädagogische Urkonstellation: Lehrer, Zögling und ,Stoff‘ in einer spezifischen Form, der Prinzenerziehung. Dargestellt werden die Göttin Athene, die Göttin der Weisheit, ein Prinz, der das Lehrbüchlein ergreift, und ein modisch gekleideter À-la-mode-Kavalier mit Justeaucorps-Überrock, Allonge-Perücke und zierlichem Menuett-Schritt, der dem Prinzen das Lehrbuch entgegenstreckt, und der daher der Sprachmeister (und „Erzieher des Duc de Bourgogne“) ist. Die Szene spielt vor einem wuchtigen barocken Portal, durch das der Prinz über einen pappelbestandenen (Des Pepliers!) Weg zu einem Schloss schreitet, das mit seinen Dachstatuen an die Gartenfront des Schlosses von Versailles oder/ und (wohl sehr wahrscheinlich) an die Lustgartenseite des zeitgenössischen Berliner Stadtschlosses erinnern soll – ohne diese allerdings präzise abzubilden4: Die Ambivalenzen sind durchaus gewollt.

Der Speer der Athene weist mit seiner Spitze über den Architrav hinaus zur Portalinschrift: „Grammaire Royale par M.‘ I.R. des Pepliers“ im Giebel, der von Voluten gekrönt ist – ein Import klassisch-französischer Architektur in diese Berliner Publikation. Die Botschaft ist überdeutlich. Auf dem Weg zum Zentrum der politischen Herrschaft muss sich der Prinz, geleitet von der göttlichen Lehrerin, dem Lehrbuch und dem Sprachmeister mit kontinuierlichem Fleiß dem Studium der königlich-exzellenten Grammatik hingeben. Die Berufsbezeichnung als Prinzenerzieher des möglichen Nachfolgers Ludwigs XIV., der Titel des Lehrbuchs und das Frontispiz: Für den Verkauf des Lehrbuchs waren das starke Argumente bei einer Schülerklientel aus den deutschen Oberschichten.

Der Illustrator spielt augenscheinlich mit Elementen, die im Versailler bzw. höfischen Kontext angesiedelt sind: das Schloss als kulturelles und politisches Zentrum der französischen Monarchie, die modische (und teure) Kleidung des Sprachmeisters, der außer der französischen Sprache auch französisch-höfisches Benehmen weitergeben möchte. Hinzu kommen der Titel des Lehrbuchs und die autobiographischen Elemente einschließlich des muttersprachliche Kompetenz signalisierenden Namens Des Pepliers, der zudem in die Ikonographie des Frontispizes aufgenommen wurde.5 Und doch veranschaulicht die Szene eher deutsche Wunschvorstellungen als einen realen Kulturtransfer.

Denn die Szene verbirgt eine grundlegende Ambivalenz. Es bleibt ungewiss, ob der dargestellte Prinz auf den Weg zur politischen Herrschaft geführt werden sollte, nämlich französischer König zu werden; die auf dem Umhang des kleinen Prinzen aufgebrachten heraldischen Blumenelemente sehen nur aus der Ferne wie Bourbonenlilien aus, sind aber bei näherem Hinschauen unspezifische Dekorelemente. Das Lehrbuch, das der Lernende in der Hand hält, war schließlich nicht für einen französischen Prinzen gedacht, sondern für deutsche Schüler; sie sollten durch das Erlernen der Fremdsprache Französisch in die (imaginierte) Nähe des Sonnenkönigs gelangen. Sprachliche Hilfestellung versprach ihnen der Autor in seiner vollständigen Berufsbezeichnung auf dem Titelblatt: „Informator der Frantzösisch und Teutschen Sprache“. Er bot sich also auch als Sprachmeister für die deutsche Sprache an.

Fremdsprachenunterricht in Geschichte und Gegenwart

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