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Die Gedenkfeier zum 200. Jahrestag

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In ganz Europa haben Staaten öffentliche Gelder verwendet, um Gedenkfeiern epischen Ausmaßes zu veranstalten. Dabei haben sie natürlich in vielen Fällen ihre eigene Geschichte genauso gefeiert wie die Erinnerung an Napoleon. Großbritannien – das Land, das vermutlich vom Sturz Napoleons am meisten profitiert hat – hat dabei einen herausragenden Platz eingenommen und wollte vermutlich das Andenken an die Siege unter dem Befehl von Horatio Nelson und Arthur Wellesley, 1. Duke of Wellington, wieder lebendig machen. Bemerkenswerterweise hat Großbritannien im Jahr 2005 anlässlich des 200. Jahrestages von Trafalgar eine riesige Flottenrevue in Anwesenheit der Königin organisiert und sich der Beteiligung von sechsunddreißig ausländischen Flotten und von über hundert Kriegsschiffen gerühmt. Die Franzosen haben wacker teilgenommen, obwohl ihre Flotte in Trafalgar vernichtet worden war, und haben merkwürdigerweise ihren Flugzeugträger Charles de Gaulle entsandt, der sich im Solent der Kette der Schiffe anschloss.

2012 hat Russland mit großem Pomp und zahlreichen offiziellen Feiern den 200. Jahrestag der Schlacht von Borodino – für die Franzosen die Schlacht bei Moskova – begangen. Wladimir Putin, der diese Schlacht während der Kampagne für seine Wiederwahl als ein Symbol der russischen Einheit hingestellt hatte, war auf dem Schlachtfeld anwesend, auf dem er der historischen Nachstellung mit über 3000 Darstellern applaudierte und einen Kranz zum Andenken an die in dieser Schlacht Gefallenen niederlegte. Diese beeindruckende Veranstaltung hat eine riesige Menge angelockt, die Ikone der Muttergottes von Smolensk kehrte zum zweiten Mal auf das Schlachtfeld zurück, um dort vom Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche gesegnet zu werden. Diese Ikone mit ihrem starken Symbolgehalt für alle Teilnehmer stellte eine Beziehung zwischen der Vergangenheit und der Zukunft her. Am Vorabend der Schlacht von 1812 hatten die russischen Generäle und Soldaten tatsächlich die Jungfrau Maria gebeten, ihnen Kraft und Sieg zu gewähren, und anlässlich des 100. Jahrestags 1912, als Zar Nikolaus II. der Feier vorstand, war die Ikone in einer Prozession rund um das Schlachtfeld getragen worden. Die Feiern zum 200. Jahrestag haben diese Ikone und das Eingreifen Gottes, der Russland gerettet habe, in den Vordergrund gerückt. Zum Abschluss der Feier wurde sie vom Schlachtfeld bis zur Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale transportiert, einem Gebäude, das zum Andenken an diesen Sieg gebaut worden war. Fast 17.000 Personen haben einer Gebetsandacht beigewohnt.

Die Bedeutung, die Borodino immer noch für Russland besitzt, veranschaulicht sehr gut die anhaltende Nachwirkung Napoleons in ganz Europa. Die Flamme der Erinnerung brennt noch immer. Die Nachstellung anlässlich des 200. Jahrestags war eine Inszenierung aus historischer Perspektive, aber es werden alljährlich am ersten Sonntag im September andere Nachstellungen organisiert, um den Kampf des russischen Volkes gegen den Aggressor an der Spitze einer in ganz Europa rekrutierten Massenarmee in Erinnerung zu rufen. Alle russischen Regime erfüllte diese Erinnerung mit Stolz. Die Sowjetunion hat 1962 ein riesiges Panorama dieser Schlacht in Moskau auf dem Poklonnaja-Hügel zur Feier des 150. Jahrestags errichtet und 25 Jahre danach eine Gedenkmünze herausgebracht. Und natürlich nimmt diese Schlacht eine herausragende Stelle in der russischen Literatur ein, insbesondere in dem Gedicht von Michail Lermontov über Borodino und in Krieg und Frieden von Lew Tolstoi.

Napoleon hat eindeutig eine tiefe Prägung im kollektiven Gedächtnis Europas hinterlassen und Mythen und Legenden auf dem ganzen Kontinent und über ihn hinaus angeregt. In Frankreich ist er Gegenstand eines regelrechten Kults, vor allem nach seinem Tod im Jahr 1821 und der Veröffentlichung des Mémorial de Sainte-Hélène von Emmanuel de Las Cases zwei Jahre später. Die Bauern sammelten die populären bunten Bilderbögen mit den Soldaten darauf, die auf den Märkten verkauft wurden, oder lauschten den Couplets von Pierre-Jean Béranger, der sie aufforderte, den Glauben zu bewahren und daran festzuhalten, dass der Kaiser nicht tot sei und wie Christus wiederkehren werde. Seine Legende hob die Ehre und den Ruhm, das Opfer und die Virilität hervor, lauter typische Eigenschaften eines großen militärischen Helden. Das ist übrigens der Aspekt, der in der populären Kultur am lebendigsten geblieben ist: im Film, im Rundfunk und im Fernsehen, in den Comics und in der anscheinend unerschöpflichen Bandbreite der Videokriegsspiele, die seine Schlachten nachspielen und seine geniale Taktik zerpflücken. Insbesondere für die jungen Menschen bleibt Napoleon vor allem ein Gott des Krieges.

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