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Eine Vorwegnahme Adolf Hitlers
ОглавлениеDie Weltkriege des 20. Jahrhunderts haben von Neuem die Aufmerksamkeit auf die napoleonischen Eroberungen gelenkt. Vor allem in Russland sind die Vergleiche mit dem Einmarsch Hitlers beinahe unvermeidlich und Josef Stalin rief seine Landsleute dazu auf, dem Einmarsch von 1941 genauso Widerstand zu leisten, wie ihre Vorfahren es 1812 getan hatten. Er war nicht der Einzige. In Großbritannien zog die Regierung direkte Parallelen zur Operation Seelöwe und dem von Napoleon eingerichteten Lager in Boulogne. Und sogar in Frankreich konnten die französischen Kämpfer nicht umhin, eine Verbindung zwischen Hitlers Beschluss, in Russland einzumarschieren, und den Eroberungsträumen von Napoleon herzustellen. Beide, so ließen sie anklingen, hatten die Welt durch ihren Eroberungswillen in den Krieg gestürzt. Und beide waren zum Scheitern verurteilt. Manche sind natürlich noch weiter gegangen und haben angedeutet, was unwahrscheinlich erscheinen mag, nämlich dass die expansionistischen Ambitionen Napoleons direkt auf diejenigen Hitlers vorauswiesen und beide Männer ein gemeinsames Ziel hatten, als sie ihren Krieg mit dem Ziel der Gebietserweiterung begannen. Die direkten Vergleiche zwischen Napoleon und Hitler sind zwar nicht haltbar, aber Hitler hat nichtsdestoweniger ein starkes Interesse an der Geschichte des napoleonischen Europas gezeigt und von seinem Aufenthalt in Paris 1940 profitiert, um das Grab des Kaisers aufzusuchen. Insgesamt hat die Erfahrung des Zweiten Weltkriegs dazu beigetragen, die Erinnerung an die napoleonischen Kriege wiederzubeleben und den Ruf Napoleons zu beeinträchtigen, wie aus den jüngeren Gedenkfeiern hervorgeht.
Die Politiker haben zwar gezögert, der Gedenkfeier für Napoleon ihr Imprimatur zu verleihen, und die französischen Akademiker neigen dazu, die politische Biografie zu vermeiden, aber Napoleon ist in der breiten Öffentlichkeit weiterhin unleugbar populär. Die Leute drängen sich im Invalidendom, um sich vor seinem Grab zu sammeln, und von den Tausenden Besuchern des Löwenhügels in Waterloo kommt die Mehrheit nicht, um den Triumph Wellingtons zu sehen, sondern die „morne plaine“ zu betrachten, von der Victor Hugo sprach, die Stätte, an der der heroische Traum Napoleons endgültig zerbrach. Die Umfragen reihen Napoleon regelmäßig unter „die größten Franzosen“ in den Augen seiner Landsleute ein, wobei er jedoch nicht mit der am meisten bewunderten Gestalt des 20. Jahrhunderts rivalisieren kann, mit Charles de Gaulle. Das Fernsehen, das in seiner Behandlung der Geschichte dazu tendiert, die Biografie und das Porträt der „großen Männer“ zu privilegieren, hat ein anhaltendes Interesse an seinem Werdegang und an seinem Liebesleben von Joséphine bis hin zu Marie Waleska gezeigt. Um den 200. Jahrestag seiner Geburt zu feiern, haben die französischen Programme 1969 über eine Periode von neun Monaten an die 46 Stunden Sendungen ausgestrahlt und napoleonische Themen haben immer noch einen großen Erfolg in Sendungen über die Geschichte oder die Literatur. Diese Programme sind jedoch durchaus nicht unkritisch. In den letzten Jahren hat man wiederholt Versuche erlebt, den Kaiserkult zu erschüttern und ihm seinen Platz im Pantheon der großen Franzosen streitig zu machen, wobei sie das infrage stellten, was Jean Tulard den „Erlösermythos“ nennt, einen Mythos, mit dem die Republik manchmal nur schwer leben kann.