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Eine europäische Angelegenheit

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Dass dieser Brief auch in deutscher Übersetzung verbreitet wurde, war ein Akt der Europäisierung der Geschichte der Jungfrau von Orléans. Zu einem europäischen Großereignis wurden die Taten der Jungfrau endgültig, als sie dann wenig später mit einer (beschränkten) Anzahl an königstreuen Rittern und deren Gefolgsleuten, aber getragen von der Begeisterung und Teilnahme des einfachen Volkes und der Bürger, tatsächlich die Stadt Orléans entsetzte. Sie trieb die englischen Truppen auf dem Weg nach Reims gleichsam vor sich her und bewegte widerstrebende Städte dazu, ihr den Stadtschlüssel auszuhändigen. Bis sie schließlich am 18. Juli 1429 in Reims ankam, wo alsbald die Königskrönung vollzogen wurde. Nun war sie auf dem Höhepunkt ihrer Erfolge, ihre Erscheinung und unglaublichen Taten wurden europaweit diskutiert beziehungsweise mythisch überhöht. Hier ein sehr einprägsames Beispiel aus der schon erwähnten zeitgenössischen Chronik des Mainzers Eberhard Windecke: „Idem, als der König in Reims gesalbt wurde, befanden sich viele Leute im Umkreis von Reims, draußen in den Weinbergen. Und sie verdarben mit ihren Pferden und auch sonst die Weinberge. Und kurz, nachdem der König von Reims aus weitergezogen war, richteten sich die Reben alle wieder auf und erblühten alle wieder und trugen dann mehr Trauben als zuvor und man konnte sie hängen lassen bis zum Tag des heiligen Martin.“3

Wie groß die Begeisterung für die Jungfrau auch im europäischen Ausland war, zeigt ein Brief, den der Stadtsekretär der freien Reichsstadt Metz, Jean Desch, wohl am 16. Juli 1429 aus Reims an einen nicht namentlich bekannten hohen Würdenträger schrieb. Es ist ein ausführlicher Bericht über die Übergabe der Städte Troyes sowie Châlons und die Erwartung der Reimser unmittelbar vor der Ankunft des königlichen Heeres und der Jungfrau. Diese, so fabuliert er, rücke mit 33.000 Kämpfern zu Pferde und 40.000 Mann an … Und er fügt nach einer längeren Erzählung über die Heldentaten der Jungfrau und ihre unwiderstehliche Faszination abschließend hinzu: „Sehr viele Ritter brechen aus diesen deutschen Landen auf. Sie wollen mit dem Dauphin in Reims zusammentreffen.“4

Auch in Italien wurden die Ereignisse offensichtlich breit diskutiert. Davon zeugt insbesondere das Tagebuch von Antonio Morosini, Mitglied des Staatsrates der Republik Venedig, der eine große Anzahl von Geschäfts- und Informationsbriefen aus Frankreich und anderen Ländern, die venezianische Kaufleute und Adlige nach Hause geschickt hatten, gesammelt und in seinem Tagebuch festgehalten hat. Seite um Seite erkennt man hier die ungeheure Faszination, Bewunderung, aber auch ungläubige Ablehnung, die die Prophezeiungen und kriegerischen Taten und Erfolge der Jungfrau überall hervorriefen. Hier nur ein Beispiel aus einem langen Brief, den der Adlige Marco Giustiani am 10. Mai 1429 aus Brügge an seinen Vater in Venedig schrieb: Zunächst berichtet er genau über alles, was man von der Befreiung von Orléans durch die königlichen Truppen gehört hatte und von einer „Schafe hütenden Pucelle, aus der Lothringer Gegend stammend, die vor anderthalb Monaten zum Dauphin gekommen ist und die nur mit ihm sprechen wollte und mit niemand anderem; und insgesamt legte sie ihm dar, dass Gott sie zu ihm schicke und sagte ihm, dass er ganz sicher bis zum Johannistag in Paris eintreten werde […] und ich weiß nicht mehr, was ich von dem, was man mir sagt, glauben soll, außer dass Gott eben große Macht hat“. 5

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