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Die Erfindung Leonardos

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Dies ist, historisch gesehen, das ingenium Leonardos: eine außerordentliche „Kunst der Anlage symbolischen Kapitals“, die einen rasanten sozialen Aufstieg zur Folge hat. Leonardo, der 1452 als unehelicher Sohn eines bescheidenen toskanischen Notars in Vinci in der Nähe von Florenz geboren wurde, beendete sein Leben in der Nähe von Amboise, auf dem Landsitz Clos-Lucé, den ihm der König von Frankreich, Franz I., von dem es heißt, er habe bei der Nachricht vom Tod des alten Meisters geweint, überlassen hatte. Das Clos-Lucé ist heute eines der Zentren der Erinnerung an Leonardo in Europa, neben dem Museum in Vinci, den technischen Museen in Mailand und Florenz, aber auch den großen Gemäldegalerien, in denen seine wenigen – meist unvollendeten – Bilder verstreut sind (hauptsächlich in den Uffizien in Florenz und im Louvre in Paris, aber auch in Mailand, London, München, Krakau, Sankt Petersburg, Washington).

Im Clos-Lucé wird vor allem ein Museum besucht, in dem einige Nachbildungen der berühmten „Maschinen von Leonardo“ zu sehen sind. Das Tauchgerät und das Kugellager, der Fallschirm und die Eisendrahtmühle, die Schleuse und das Fahrrad: Was hat Leonardo nicht erfunden? „Leonardo ist nicht nur ein ausgezeichneter Maler, sondern ein regelrechter Archimedes“, soll Franz I. in Lyon dem Bildhauer und Goldschmied Benvenuto Cellini gesagt haben. Aber wenn man seit dem 19. Jahrhundert die „Erfindungen Leonardos“ als Fortschritte der technischen Erfindungsgabe Europas feiert, wer hat dann Leonardo selbst erfunden? Bestimmt seine Biografen und Bewunderer im Lauf der Zeit, aber auch Leonardo selbst, der aus seinem Leben das permanente Schauspiel eines planmäßig konstruierten Ruhms zu machen wusste.

1467 wird Leonardo als Lehrling in die bottega von Andrea del Verrocchio in Florenz aufgenommen. Eine bottega war damals ebenso sehr ein Industrielabor wie ein Künstleratelier und die von Verrocchio sicher die damals angesehenste Italiens. Er begegnet dort den künftigen führenden Malern Mittelitaliens im 15. Jahrhundert: Domenico Ghirlandaio, Perugino, Sandro Botticelli. Der Renaissancekünstler ist nicht das einsame Genie, zu dem ihn die romantische Kunstgeschichte geadelt hat, sondern ein von Lehrlingen umgebener Werkstattleiter, der je nach Auftrag verschiedensten Aktivitäten nachgeht, ein wenig wie Albrecht Dürer, mit dem man ihn legitimerweise vergleichen kann. Verrocchio ist ein Malerund Bildhauermeister und verwahrt zugleich das Ingenieurfachwissen am Ausgang des Mittelalters. Goldschmiedekunst, Architektur, Bühnenbilder, sogar Alchimie: Nichts lag außerhalb der Kompetenzen Verrocchios, den die Florentiner „den neuen Merkur“ nannten. Insofern ist er der Bewahrer einer technischen Kultur, eines Erbes, das Know-how und Bücherwissen verbindet und verschiedenen (italienischen, aber auch deutschen) städtischen Traditionen verpflichtet ist.

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