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Furia francese
ОглавлениеAber die Sforza wurden 1499 aus Mailand verjagt und Leonardo hat sein gran cavallo nie beendet. Seine persönliche Laufbahn war auf der Italienischen Halbinsel bis dahin von der großen diplomatischen Gleichgewichtssituation nach dem Frieden von Lodi geprägt; nunmehr wurde er je nach den Ereignissen, Kriegen und Bündniswechseln hinund hergeschoben. Und zwar immer schneller: Leonardo zieht mit seinen Heften, Gemälden und Bücherkisten von einer Stadt in die andere (Venedig, Rom …) und bleibt manchmal nur ein paar Monate. Denn die von den großen Nationalmonarchien bedrängte Italienische Halbinsel ist nur die Versuchsstation einer kulturellen Veränderung, die sich nur in einem größeren Raum vollziehen kann. Leonardo da Vinci, den die furia francese auf die Straßen warf und der seither einen mächtigen Beschützer sucht, weiß es nur zu gut. Cesare Borgia? Leonardo konnte es eine Zeitlang glauben, als er 1502 diesem Fürsten neuen Zuschnitts, der auch Niccolò Machiavellis Interesse erweckte, auf den Straßen der Romagna folgte. Leonardo da Vinci strebt nach Ausdehnung und Dauer der Macht. Doch musste er sich wohl oder übel den Tatsachen beugen, denn der Untergang des Borgia lehrte ihn eines Besseren: Die Zukunft ist nicht mehr in Italien.
Am 3. Juli 1503 vertraut Leonardo da Vinci einem Kaufmann aus Genua einen Brief an den Sultan Bayezid II. an, von dem nur die türkische Übersetzung in den Archiven von Istanbul erhalten ist. Da er dessen Plan einer Brücke über den Bosporus kannte, bot er dem Sultan seine Ingenieursdienste an und, während er vergeblich auf dessen Antwort wartete, lernte er ein wenig Türkisch und füllte seine Hefte mit Notizen über das Goldene Horn. Es sollte nicht das Osmanische Reich sein, sondern das Königreich Frankreich, dessen König die Krone des Römischen Reiches anstrebte. Man versteht sodann, dass sich seine Hinwendung zur großen französischen Monarchie nicht dem Zufall verdankt. Bereits 1506 empfing ihn Karl von Amboise in Mailand, das damals unter französischer Herrschaft stand. Einmal mehr errang er mit seinem Talent für die Theaterkünste die Gunst der Mächtigen. 1509 wurde er beauftragt, den Triumphzug des Königs Ludwig XII. nach seinem Sieg gegen Venedig in der Schlacht von Agnadello zu organisieren, und 1515 beeindruckte er Franz I. in Lyon mit seinem mechanischen Löwen, dessen Brust sich öffnet und Lilien herausfallen lässt. Halten wir auf jeden Fall Folgendes fest: Der politische Weg Leonardos von Florenz über Mailand, Venedig und Rom bis Amboise, wo er 1519 stirbt, hat die gesamte Skala der modernen Staatsformen am Ende des Mittelalters umfasst.